Von Dr. Mike Körner und Dr. Martin Krause //

Mehr als zwei Jahre nach der proklamierten Zeitenwende wächst mit dem Superzyklus der Defence Branche auch das schon bisher starke Interesse von privaten Investoren, Family Offices und Private Equity an der Branche weiter an. Die Bewertungen von Defence-Assets sind mittlerweile in neue, ambitionierte Höhen vorgestoßen. Für Investoren mit bisher wenig Erfahrung im Bereich Defence ist es deshalb umso wichtiger, die Fallstricke und Spezifika der Branche richtig einzupreisen.

Rüstungs­spezifische Wachstums­projektionen erstellen

Die klassische Unternehmensplanung als Basis für eine Unternehmensbewertung stößt in diesen Zeiten an Ihre Grenzen. Die klassischen Marktdaten und -analysen wie Janes Defence bilden die Dynamik des erwarteten Wachstums nur teilweise ab. Es fehlt an einer belastbaren Marktprojektion. Für die Abschätzung der Top-Down Marktpotenziale braucht es nicht nur ein gutes Marktverständnis der militärischen Planungslogik, sondern auch eine spezifische Branchenexpertise.

Techno­logische Umbrüche & Innovationen verstehen

Der Ukrainekrieg zeigt sehr eindrucksvoll, welchen Einfluss technologische Innovation auf die eingesetzten Waffensysteme und deren militärischen Wert haben kann, zum Beispiel in den Bereichen unbemannte Systeme oder Digitalisierung. Derartig schnelle und tiefgreifende Veränderungen beeinflussen grundlegend militärische Planungen und daraus abgeleitete zukünftige Bedarfe sowie Beschaffungen. Für einen Investor ergeben sich hieraus bedeutende Chancen und Risiken für seine Defence-Investment Strategie.

Defence-spezifische Risiken identifizieren

Gerade im Kontext der Defence Branche gibt es eine Vielzahl von Rahmenbedingungen, Spezifika und Fallstricken, welche man in die Bewertung einbeziehen muss. Als Stichworte seien hier Beschaffungszyklen, komplexe Programme, technologische Entwicklungen, Exportkontrolle, politische Stakeholder sowie Finanzierungsprobleme genannt. All diese branchenspezifischen Themen müssen realistisch in die Bewertung einfließen.

Rüstungs­spezifische Expertise einbeziehen

ACTRANS ist eine Managementberatung mit Fokus auf die Defence Branche und besitzt Erfahrung in der Unterstützung von Defence-Investoren in den Bereichen Commercial-, Technical-, und Programme Due Diligence. Durch die Einbindung unseres Defence-Expertennetzwerks gelingt es uns spezifische Themen in allen militärischen Domänen zu unterstützen.

Von Dr. Martin Krause und Dr. Mike Körner //

Die meisten Produkte im Rüstungs­­bereich kommen heute ohne Software nicht mehr aus und Digital­isierung wird zu einem immer wichtigeren Differenz­ierungs­merkmal. In den letzten Monaten wird vermehrt ein Paradigmen­wechsel Richtung Software als bestimmendes Element erkennbar. Kommt es zu Software-defined Defence?

Software-defined Defense

Software-defined Defense beschreibt eine durchdachte Kombination aus Hardware und Software, bei der das gesamte Funktionalitätsspektrum des Rüstungssystems um die Funktionalität der Software herum konstruiert ist. Dies stellt kein proprietäres System dar, sondern eine offene, modulare Architektur mit standardisierten Schnittstellen für Hardware und insbesondere für Software. Während die Hardware oft ein gutes Stück weit ausgereizt ist, bieten Software-getriebene Funktionalitäten ein vergleichsweise hohes Potenzial zur Leistungssteigerung des Gesamtsystems.

Zivile Produkte, bei denen erfolgreich eine Kombination aus Hardware und Software um die Funktionalität der Software herum gebaut wurden, sind beispielsweise das iPhone oder die Tesla Elektroautos von Elon Musk.

Vorteile und mögliche Anwendungen

Dies bietet zahlreiche Vorteile, unter anderem:

  • Grundlegend neue Funktionalitäten
  • Kürzere Entwicklungszeiten
  • Niedrigere Entwicklungskosten
  • Höhere Flexibilität
  • Austauschbarkeit einzelner Module
  • Höheres Potenzial für leistungssteigernde Upgrades

Es handelt sich um einen datenzentrierten Ansatz, bei dem es im Rahmen der Automatisierung nicht zwangsweise darum geht, autonome Systeme ohne einen menschlichen Operator zu betreiben (human-out-of-loop). Vielmehr ermöglicht es einem Operator, eine große Anzahl an Systemen effizient und effektiv zu monitoren und zu führen, beispielsweise einen Drohnenschwarm (human-on-loop).

Anwendungsmöglichkeiten für Software-defined Defense bestehen in fast allen Bereichen der Streitkräfte: Autonome Systeme (UxS), Manned-Unmanned-Teaming (MUM-T), Command and Control (C2), Cyber Warfare, vernetze Kommunikation, Virtual/ Augmented Reality (VR/ AR), Logistik, elektronische Kriegsführung (EW), Aufklärung und Überwachung (ISR) und vieles mehr.

Der Software-Anteil befindet sich zwar bei jedem neuen militärischen System auf dem Vormarsch, jedoch basieren diese Systeme meist auf proprietärer Software, welche mit Auslieferung der Systeme nur sporadisch weiterentwickelt wird. Software-defined Defence befindet sich noch in den Anfängen und es wurde noch kein vollständiges System nach diesem Konzept entwickelt. Verschiedene große Entwicklungsprogramme wie das Future Combat Air Sytem (FCAS) versuchen in diesem Bereich eine domänenübergreifende Vernetzung von Sensorik, Effektorik und Lagebildern auf bisher nicht erreichtem Niveau zu schaffen. Dies geschieht durch neue Ansätze wie beispielsweise eine Multi-Domain-Combat Cloud. Es gibt jedoch erste Beispiele, welche man bereits im Ukrainekrieg beobachten kann.

Starlink – Resilienz durch Flexibilität

Elon Musks Starlink Kommunikationssatelliten erwiesen sich als besonders wichtig für die militärische Koordinierung der Ukraine. Deren Streitkräfte waren auf die kleinen, tragbaren Terminals angewiesen, um über das Gefechtsfeld zu kommunizieren und Informationen weiterzugeben. Die Starlink Terminals wurden auch direkt auf Aufklärungsdrohnen integriert, wodurch man somit feindliche Stellungen aufklären und die Zielkoordinaten direkt via Starlink Satellit an die Artillerie weitergeben konnte. Dies hat zu einer signifikanten Verkürzung der sogenannten „Kill-Chain“ geführt.

Russland versuchte bereits in den ersten Monaten die Starlink Kommunikation mittels Elektronischer Kriegsführung und gezielten Jamming-Angriffen auf die genutzten Frequenzen zu stören. Diese Jamming-Angriffe waren jedoch nur für eine kurze Zeit erfolgreich. Bei Starlink wurde ein Software-Update für die Satelliten und Terminals in kürzester Zeit entwickelt, wodurch die russischen Jamming-Angriffe erfolgreich abwehrt werden konnte. Das Starlink System erwies sich somit mittels Software-Updates als anpassungsfähig und resilient. Klassische proprietäre Satellitensysteme ohne die Möglichkeit von Software-Updates, wären zu dieser Anpassung im Frequenzspektrum nicht fähig gewesen. Die militärische Fachwelt war von den Möglichkeiten der Software-Updates begeistert.

Mittlerweile mehren sich jedoch Berichte, dass Russland wieder in Führung liegt, da die russische, elektronische Kriegsführung (Tobol-System) mittlerweile auf einen anderen Angriffsvektor setzt. Anstatt die Frequenzen durch Jamming-Angriffe zu stören, setzt man lauf Berichten auf die Störung des GPS-Signals. Hierdurch wird die Synchronisation zwischen Starlink-Bodenstation und Starlink Satellit unterbrochen bzw. erschwert. Wie Starlink auf diese neue Herausforderung reagieren wird, bleibt abzuwarten. Jedoch haben Wissenschaftler mittlerweile nachgewiesen, dass die Signale von Starlink-Satelliten zur Positionsbestimmung mit einer Genauigkeit von acht Metern eingesetzt werden können. Diese inhärente GPS-Alternative könnte Starlink wieder gegenüber der russischen elektronischen Kriegsführung in Führung bringen und hätte natürlich auch weitere interessante Einsatzmöglichkeiten. Das Starlink Beispiel gibt einen Ausblick auf die Geschwindigkeit und Dynamik der gegenseitigen Anpassungen im zukünftigen Software-defined Defence.

Herausforderungen für die Einführung von Software-defined Defence

Der schnellen Einführung von Software-defined Defence stehen eine Vielzahl von Herausforderungen gegenüber:

  • Mangelnde Interoperabilität der Systeme
  • Nationale Normen und Standards
  • Neue Risiken im Bereich Cybersicherheit
  • Komplexität des Gesamtsystems
  • Einbindung nicht-digitaler Alt-Systeme
  • Rechtliche und ethische Vorgaben

Transformation des Geschäftsmodells

Für traditionelle Defence-Firmen ist die Einführung von Software-defined Defence mit einer umfassenden Transformation verbunden. Das Geschäftsmodell wandelt sich von einem hardwarebestimmten Projektgeschäft zu einem softwarebestimmten Servicegeschäft. Diese Veränderung ist verbunden mit dem Aufbau neuer Kompetenzen insbesondere in der Entwicklung sowie im Produktmanagement und der Neugestaltung der Entwicklungsprozesse. Die frühzeitige und bewusste Transformation lohnt sich jedoch, da man sich hierdurch einen langfristigen Wettbewerbsvorteil erarbeiten kann.

Dieser Vorteil greift, sobald die staatlichen Kunden diese Funktionalitäten fordern werden. Beispielsweise bei dem US-amerikanischen Optionally Manned Fighting Vehicle Programm (OMFV), mit dem das Pentagon den US-Schützenpanzer M2 Bradley (IFV) ersetzen will, ist dies bereits explizit der Fall in Form einer modularen und offenen Systemarchitektur (MOSA).

Natürlich gibt es bei den etablierten OEMs einen gewissen Widerstand gegen diesen Transformationsprozess, da die Firmen lange von dem Lock-in Effekt proprietärer Systeme profitiert haben und das Servicegeschäft das etablierte Projektgeschäft teilweise kannibalisieren wird. Allerdings werden die veränderten Kundenforderungen diese Anpassung voraussichtlich früher oder später ohnehin erzwingen. Insofern schafft eine frühzeitige Weichenstellung einen First-Mover Advantage, der die eigenen Produkte von der Konkurrenz absetzt und eine später umso schmerzhaftere Umstellung vermeidet.

ACTRANS ist eine Managementberatung mit Fokus auf die Aerospace und Defence Branche. Gemeinsam mit unserem Expertennetzwerk unterstützen wir unsere Klienten bei der Ausrichtung des Produktportfolios, der Prozesse und der Technologie auf Software-defined Defence.

Von Dr. Mike Körner und Dr. Martin Krause //

Der Ukraine Krieg erfordert kurzfristig ein dynamisches Umsteuern auf Wachstum in der westlichen Rüstungs­­industrie. Manche sprechen von einem Super­­zyklus für die Defence-Industrie, da häufig alte Waffen­systeme ersetzt und die Anzahl der verfügbaren Systeme insgesamt aufgrund der neuen Sicherheits­lage in den nächsten Jahren signifikant erhöht werden muss. Auf welchen Markt­annahmen sollen Defence-Unternehmen lang­fristige Planungen erstellen, Investitions­entscheidungen treffen und den globalen Vertrieb steuern?

Die Schnelligkeit, Trajektorie sowie der Scheitelpunkt des Marktwachstums nach Ländern und Waffensystemen lassen sich jedoch mit traditionellen Methoden der letzten 30 Jahre und den heutigen Defence-Markt-Datenbanken nicht quantifizieren, weswegen ACTRANS eine neue Top-Down Methode zur Marktprojektion entwickelt hat.

Planen, aber mit welchen Zahlen?

Sowohl der Bedarf an Rüstungsgütern als auch der gesamt Defence Markt sind seit dem Beginn des Ukraine Kriegs sehr dynamisch geworden. Während zahlreiche NATO-Länder bereits große Rüstungspakete angekündigt bzw. bestellt haben, kam in Deutschland von den erklärten 100 Mrd. Euro bis dato nur ein geringer Teil in der deutschen Rüstungsindustrie an. Ferner wurde sowohl für Deutschland als auch für weitere Länder der militärische Gesamtbedarf noch nicht ausgeplant – bzw. falls doch, ist das der Öffentlichkeit und Industrie nicht bekannt. Dynamik, Trajektorie und Scheitelpunkt des Wachstums müssen deshalb mittels neuer Methoden abschätzt werden. Gerade komplexe Defence-Produkte, mit Ihren langen Lieferketten brauchen langfristige Planung und Investitionen.

Marktführer „Janes Informations­­dienste“ kann die neue Markt­dynamik auf Jahre hinweg nicht abbilden

Der Defence-Markt in den letzten 30 Jahren ließ sich relativ einfach planen und analysieren. Der Janes Informationsdienst hat auf Basis von öffentlich zugänglichen Informationen (OSINT) eine detaillierte globale Datenbank aufgebaut, in denen alle veröffentlichten Beschaffungsvorhaben im Detail hinterlegt sind (Bottom-Up). Eine stabile militärische Ausrichtung auf Auslandseinsätze, die planbare Beschaffung von meist Ersatzbedarfen sowie langfristig angelegte Haushaltsplanungen, machten die Abschätzung von Marktpotenzialen relativ einfach und Janes unverzichtbar.

Die marktführende Janes Datenbank nimmt jedoch lediglich bestätigte Defence-Beschaffungsprogramme auf, die mit Namen, Stückzahl sowie Budget hinterlegt sind. Des Weiteren erfolgt eine Aktualisierung nach Land im Abstand von mehreren Monaten. Folge ist, dass dieser Bottom-Up Ansatz noch heute weitestgehend die Marktsituation vor dem Ukrainekrieg widerspiegelt und auch langfristig keine Aussagen zu Dynamik, Trajektorie und Scheitelpunkt des Wachstums ermöglicht. Man bleibt in diesem Marktmodell immer „hinter der Welle“ und auf Sicht.

Militärische Planung und Beschaffung sind komplex und brauchen bis zur Umsetzung in konkrete Beschaffungen viel Zeit. Die westlichen Militärplaner hatten in den vergangenen Jahrzehnten stark auf hybride Kriegsführung mit Elementen wie Aufklärung oder Cyberangriffen gesetzt und waren von dem konventionellen Landkrieg in Europa mit seinen Massen an Panzern, Munition und Artillerie überrascht. Insbesondere die Dynamik der Bedrohung durch China macht umfassende militärische Umplanungen notwendig.

Neue Methode zur Defence-Markt­­ab­schätz­ung

Mit unserem Top-Down Ansatz versetzen wir uns in die Lage der obersten Militärplaner. Diese haben die Aufgabe ein Wort-Case-Szenario für den Zeitraum der nächsten zehn Jahre zu definieren und Ihre militärische Planung von Fähigkeiten und Beschaffungen daran auszurichten. Für die Ausgestaltung der Szenarien und Planung der Fähigkeiten binden wir externe militärische Fachexpertise ein, arbeiten mit historischen Analogien, Referenzwerten und transparenten Annahmen. Als europäisches Worst-Case-Szenario im Kontext der Rivalität der Großmächte USA/China, könnte ein konventioneller, hochintensiver Landkrieg gegen einen ebenbürtigen bzw. überlegenen Gegner (Russland unterstützt durch China, ohne US-Unterstützung für Europa) in Verbindung mit einer nuklearen Bedrohung dienen.

Auf Basis dieses Worst-Case-Szenarios planen wir einen Soll-Wert für die Waffensysteme und vergleichen diesen mit den derzeitigen IST-Werten. Nachdem so das Marktpotenzial insgesamt approximiert und ein realistischer Hochlauf geplant wurde, können im zweiten Schritt für einzelne Firmen verschiedene Besonderheiten wie einen Technologiewandel zusätzlich modelliert. Die ACTRANS Methode erlaubt es, Top-Down die Marktpotenziale und verschiedene Szenarien im Zeitraum von zehn Jahren nach Ländern und Regionen aber auch nach Teilstreitkräften und Waffensystemen entlang der Wertschöpfungskette zu ermitteln.

ACTRANS ist eine Managementberatung für die Aerospace und Defence Branche mit Fokus auf Technologie, Transformation und Innovation. Gemeinsam mit unserem Expertennetzwerk unterstützen wir unsere Klienten dabei, ihre Market Intelligence, ihre Bedarfsplanung, sowie ihre Investments zum Hochfahren der Produktionskapazitäten an die Gegebenheiten der neuen Dynamik anzupassen. Hierzu hat ACTRANS auch das oben vorgestellte Market Sizing Modell zur Potentialabschätzung entwickelt.

Von Dr. Mike Körner und Dr. Martin Krause //

Nach Jahrzehnten der Schrumpfung muss die Rüstungsindustrie nun schlagartig substanziell wachsen. In der Vergangenheit sind Rüstungsprojekte nicht gerade durch hohe Geschwindigkeit oder Liefertreue aufgefallen. Wie kann also dieses rasante Wachstum in kurzer Zeit bewältigt werden bzw. wie bekommt man den Elefanten zum Tanzen?

Eine schlichte Vervielfachung der eigenen Kapazitäten ist häufig nicht sinnvoll aufgrund der umfangreichen Investitionen verbunden mit dem Aufbau von zukünftigen Fixkosten. Zudem lassen sich die Investitionen im geforderten Zeitrahmen kaum realisieren. Darüber hinaus leidet auch die Rüstungsbranche an Personalmangel in Kombination mit einer überalterten Belegschaft und oftmals unattraktiven Standorten. Auch bei Vorprodukten und Komponenten von Elektronik bis Stahl gibt es nicht erst seit der Coronazeit Lieferengpässe bzw. lange Lieferzeiten.

Rasantes Wachstum mittels Strategischer Partnerschaften realisieren

Ein Lösungsansatz für die Bewältigung von rasantem Wachstum liegt im Aufbau von strategischen Partnerschaften. Die Zusammenarbeit bietet die Chance der schnelleren Reaktionszeit auf die starke Nachfrage, eine flexiblere Gesamtorganisation mit hoher Fachkompetenz sowie eine tiefere Fixkostenbasis. In diesem Kontext ist es wichtig zu verstehen, dass eine strategische Partnerschaft nicht einfach nur ein anderes Wort für ein austauschbares Zulieferverhältnis ist, sondern das Bekenntnis dazu, langfristig zusammenzuarbeiten und dauerhaft gemeinsame Ziele zu verfolgen. Hierbei machen sich beide Partner ein Stück weit voneinander abhängig, integrieren die andere Seite in die eigenen Prozesse und nehmen langfristige, projektspezifische Investitionen vor. Rasantes Wachstum verlangt vom Defence-Management eine Abkehr vom früheren Geschäftsmodell in schrumpfenden Märkten. Damals stand die Maximierung der eigenen Wertschöpfung für die Auslastung der eigenen Werke sowie die Margenoptimierung im Unternehmensverbund im Vordergrund. Beim rasanten Wachstum wird hingegen bewusst ein signifikanter Teil der Wertschöpfung und Marge nach außen vergeben, um die Geschwindigkeit zu erhöhen, die Komplexität zu reduzieren sowie die Flexibilität zu vergrößern.

Vorgehen zum Aufbau von Strategischer Partnerschaften

Wie kann hierbei eine zielführende Vorgehensweise aussehen? Aus unserer Erfahrung lässt sich ein sinnvoller Ansatz in folgende Schritte gliedern:

Schritt 1: Bestimmung Opportunitätskosten

Der Hauptmotivator der strategischen Kooperation ist die Kombination aus Ressourcenmangel, starkem Wachstum und immensem Zeitdruck. Insofern zielt die Partnerschaft darauf ab, einen langfristigen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, welcher in der aktuellen Situation und darüber hinaus ein rasantes Wachstum ermöglicht. Folglich sollte man zuerst das Volumen dieses möglichen Wachstums ermitteln und dann die Opportunitätskosten abschätzen, die entstehen werden, falls die Firma nicht oder nur mit Verzögerung in der Lage sein sollte, dieses Wachstum zu realisieren. Diese Kosten unter Berücksichtigung der erforderlichen Investitionen sind dann der Maßstab für alle weiteren Schritte im Anpassungsprozess.

Schritt 2: Erstellung eines Projektplans

Im zweiten Schritt ist zu prüfen, wieviel Zeit für den Aufbau der strategischen Partnerschaft zur Verfügung steht. Somit kann man klar abschätzen, in welchem Zeitraum welche Schritte der Neuaufstellung vollzogen werden müssen. Dies grenzt die Anzahl der möglichen Lösungen deutlich ein und definiert auch die zeitlichen Anforderungen an potenzielle Partner. Wichtig ist, einen integrierten Gesamtplan zu erstellen. Häufig werden bei der Planung einige entscheidende Themen in Dauer und Umfang systematisch unterschätzt bzw. vernachlässigt. Hierunter fallen beispielsweise notwendige Anpassentwicklungen bzw. Obsoleszenzbeseitigungen, welche für den erneuten Anlauf der Serienfertigung erforderlich sind. Ferner ist es notwendig, die unterstützenden Funktionsbereiche wie Wareneingang oder interne Logistik rechtzeitig auszubauen, da der Fertigungshochlauf sonst negativ beeinflusst wird.

Schritt 3: Auswahl der Buy-Komponenten

Die dritte Stufe beinhaltet die Auswahl der Systeme bzw. Subsysteme oder Prozesse, die an den strategischen Partner übergeben werden. Bei dieser Make-or-Buy Entscheidung ist darauf zu achten, dass die ausgewählten Subsysteme / Komponenten für eine Buy-Entscheidung kein Schlüssel-Know-how erfordern, da man ansonsten Gefahr läuft, langfristig einen Konkurrenten aufzubauen. Bei der Auswahl und Aufteilung von Systemen und Subsystemen an verschiedene strategische Partner und Zulieferer spielt der Know-how Schutz eine wichtige Rolle. In dieser Phase ist nach unserer Erfahrung mit internem Widerstand und Ängsten bei den Führungskräften und Mitarbeitern zu rechnen, wobei die einen Sorge um Macht- oder Know-How-Verlust haben, während die anderen befürchten, ihre zukünftigen Arbeitsplätze zu verlieren. Eine objektive Bestandsaufnahme sowie klare Zielvorstellungen und Kommunikation hilft Ängste zu überwinden sowie sich von gewachsenen und überholten Strukturen zu lösen. Was vor zehn Jahren noch als internes Schlüssel-Know-how gewertet wurde, ist heute vielleicht als Stand der Technik im Markt breit verfügbar.

Schritt 4: Selektion und Entwicklung der Partnerschaft

Nun kann man mögliche Partner identifizieren, welche die Anforderungen in Bezug auf Fähigkeiten, Ressourcen, Finanzen, Solidität, Qualität, Zuverlässigkeit, etc. erfüllen. Bei der Auswahl möglicher Partner sollte der Blick über die üblichen Rüstungsunternehmen und Zulieferer hinausgehen. Die räumliche Nähe des Partners hat im Kontext der Versorgungssicherheit und der neuen geopolitischen Realitäten eine neue Bedeutung erlangt. Kurze Wege sowie kulturelle Nähe ermöglichen eine deutlich höhere Geschwindigkeit bei der Umsetzung einer Kooperation und leisten einen Beitrag zur Versorgungssicherheit.

Bei der Auswahl der Komponenten und strategischen Partner sind die spezifischen Aspekte der Rüstungsindustrie zu berücksichtigen. Hierzu gehören beispielsweise rechtliche Vorgaben wie das Kriegswaffenkontrollgesetz oder die Exportkontrolle. Gerade im Bereich der sicherheitsrelevanten, neuen Technologien ist ein langanhaltender Ausbau der Verbotslisten, Handelsbeschränkungen, Sanktionen sowie Verschärfungen der Exportkontrolle zu erwarten.

Für die Partnerauswahl ist auch eine strukturierte Risikoanalyse erforderlich, welche sowohl kurzfristige operationelle als auch langfristige strategische Aspekte berücksichtigt.

Ist der richtige Partner ausgewählt, so werden die Modalitäten festgelegt und vertraglich fixiert. Dies beinhaltet unter anderem die Details der Zusammenarbeit, die zugehörigen Investments, die Kommunikationswege, oder auch eine Aufteilung der Risiken. Der Partner wird Teil der eigenen Wertschöpfungskette.

Erfolgsfaktoren für Strategische Partnerschaften

Welche Erfolgsfaktoren bestehen für den Aufbau der strategischen Partnerschaften?

(1) Kräfte bündeln

Das rasante Wachstum führt die Mitarbeiter regelmäßig an die Belastungsgrenzen. Die Einbindung neuer Partner ist kein Selbstläufer und zunächst ein zusätzlicher Kraftakt für die Gesamtorganisation. Um erfolgreich strategische Partnerschaften zu etablieren, muss ein kraftvolles Team aus unterschiedlichen Funktionsbereiche zusammenwirken. Neben den klassischen Bereichen wie Programm, Entwicklung, Fertigung und Einkauf sind weitere Funktionen wie Qualität, Finanzen, IT sowie Legal einzubinden. Nur eine breite und intensive Einbindung aller relevanten Bereiche stellt sicher, dass in der Ausgestaltung der Partnerschaft keine substanziellen Fehler bereits in der wichtigen Anfangsphase gemacht werden.

(2) Neue Kompetenzen aufbauen

Die Einbindung externer Partner in die internen Strukturen und Prozesse erfordert einen höheren Formalisierungs- und Dokumentationsgrad an den wichtigsten technischen und kommerziellen Schnittstellen zum Partner. Interne Arbeitspläne oder handschriftliche Dokumentationen sind durch formale Lastenhefte, umfangreiche technische Dokumentationen sowie Handbücher zu ersetzen. Der Aufwand für diese Umstellung ist nicht zu unterschätzen. Diese Formalisierung erfordert neue Kompetenzen, beispielsweise in den Bereichen Entwicklung, Fertigung oder Einkauf.

(3) Prozesse und Strukturen anpassen

Strategische Partnerschaften erfordern neue Herangehensweisen und Abläufe in verschiedenen Funktionsbereichen. Die notwendigen Veränderungen sind exemplarisch in der nachfolgenden Tabelle für den Einkauf dargestellt. Geht der Einkauf beispielsweise mit dem Ziel in den Auswahlprozess, den günstigsten und nicht den geeignetsten Anbieter für die strategische Partnerschaft auszuwählen, so sind Konflikte und Fehlentwicklungen vorprogrammiert.

Klassischer Defence Einkauf von BauteilenRolle Einkauf bei Strategischen Partnerschaften
Gegenstand:
Relativ einfache Bauteile (z.B. DIN/Normteile)
Prozess:
– Auswahl des günstigsten Anbieters auf Basis von drei Vergleichsangeboten
– Relativ autarke Auswahlentscheidung des Einkaufs Anreiz/Variable Vergütung:
Kalkulatorische Einsparungen als wichtigste Ziel- und Steuerungsgröße
Gegenstand:
Komplexe Teilsysteme / Prozesse
Prozess:
– Auswahl des geeignetsten nicht unbedingt günstigsten Partners
– Entscheidung basierend auf einem komplexen Kriterienkatalog unter Einbindung vieler interner & externer Stakeholder

Anreiz/Variable Vergütung:
Neues Zielsystem basierend auf verschiedenen Performance- KPIs
Abb.:1 Exemplarische Gegenüberstellung „klassischer Einkauf“ vs. „Strategische Partnerschaft“

(4) Transparenz schaffen

Noch mehr als in anderen Industrien muss die Rüstungsindustrie jederzeit ein detailliertes Bild darüber haben, woher ihre zugelieferten Komponenten kommen und welche Firmen im gesamten Wertschöpfungsprozess auch in der dritten Reihe involviert sind. Des Weiteren gelingt ein schneller Hochlauf der Fertigung nur, wenn Transparenz über die Vorlaufzeiten und Teileverfügbarkeit besteht. Dies hilft dabei, Risiken zu identifizieren, Alternativen zu suchen und eine robuste Lieferkette zu erstellen.

Wie kann ACTRANS unterstützen?

Bei ACTRANS als Managementberatung mit Fokus auf Defence unterstützen wir Geschäftsführer, Business Unit-Leiter und Programmleiter bei der Bewältigung ihres rasanten Wachstums. Hierbei helfen wir dem Management für den Hochlauf viele kleine und große Stellhebel auf einmal neu zu justieren. Das ACTRANS Team besitzt umfangreiche Erfahrung im Hochlauf von militärischen Großprogrammen, der Optimierung von Durchlaufzeiten sowie dem Aufbau von Strategischen Partnerschaften. Unsere Leistungen im Bereich rasantes Wachstum umfassen unter anderem:

  • Externe Risikoanalyse der bestehenden Wachstumspläne
  • Erarbeitung alternativer Ansätze und Szenarios, um Wachstum zu bewältigen
  • Unterstützung bei der Planung, Orchestrierung und der Umsetzung aller Maßnahmen zur Bewältigung des Wachstums

Von Dr. Martin Krause //

Hybrid- und Elektro­fahr­zeuge sind auf dem zivilen Markt immer erfolg­reicher und längst keine tech­nische Vision mehr. Doch ist diese Techno­logie auch im milit­ärischen Kontext sinn­voll einsetz­bar? Die Stimmen, die einen umwelt­freund­licheren Betrieb der Streit­kräfte fordern, werden welt­weit lauter und die Liste der laufenden Forschungs­programme dazu ist lang. Bedeutet das, dass zukünftig kein Treib­stoff mehr benötig wird und alles voll elektrisch und digital abläuft? Oder geht es vielmehr um ein absurdes Szenario, bei dem mitten in der Wüste Batterien aufge­laden und im Kriegs­gebiet standard­isiere Lade­säulen installiert werden müssen?

Sinn und Unsinn derartiger Konzepte lassen sich am besten bewerten, indem man die Vor- und Nachteile hybrider Antriebe versteht, die relevanten Schlüsseltechnologien identifiziert und dann bewertet, für welche Militärfahrzeuge hybride Antriebe sinnvoll sein können.

Erklärung Hybrid Electric Drive

Unter einem Hybrid Electric Drive (HED) System versteht man allgemein ein Antriebssystem, bei dem Verbrennungsmotoren mit elektrischen Antriebskomponenten wie Batterien, Generatoren und Elektromotoren kombiniert werden. Diese treiben dann je nach Fahrmodus das Fahrzeug einzeln oder gemeinsam an, wobei der Verbrennungsmotor normalerweise die Batterien über einen Generator lädt. Abhängig von der Konstruktionsweise gibt es entweder zwei parallele Antriebsstränge, oder der Verbrennungsmotor betreibt nur noch einen Generator, sorgt aber nicht mehr selbst über ein Getriebe für Vortrieb. Getankt wird nach wie vor Kraftstoff.

Diese HED Architektur unterscheidet sich von rein elektrischen Antrieben, bei denen Batterien über externe Stromquellen geladen werden müssen. Synthetische Kraftstoffe wie beispielsweise Biodiesel führen zwar ebenfalls zu einer verbesserten CO2-Bilanz, fallen aber nicht unter HED-Antriebe.

Weltweite Aktivitäten

Weltweit gibt es eine Vielzahl von militärischen Testprogrammen für HED Prototypen mit dem Ziel, die Technologie besser zu verstehen, sinnvolle Konzepte zu erarbeiten und Fahrzeuge realistisch zu erproben. Viele dieser Aktivitäten konzentrieren sich auf die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, so zum Beispiel das Bradley Hybrid Electric Vehicle Programm, an dem seit 2020 in den USA BAE Systems mit QinetiQ arbeiten. Der 32 Mio. USD Vertrag mit dem Rapid Capabilities and Critical Technologies Office (RCCTO) der US-Army beinhaltet die Hybridisierung von zwei Bradley A2 Infantry Fighting Vehicles (IFV) und über eine mögliche Ausweitung auf die Programme Armored Multi-Purpose Vehicle (AMPV) sowie Optionally Manned Fighting Vehicle (OMFV) wird nachgedacht. Ebenfalls in den USA hat Oshkosh Defense mit dem Electric Joint Light Tactical Vehicle (eJLTV) eine hybride Version des JLTVs geschaffen, welche deutlich treibstoffeffizienter arbeitet.

In Frankreich arbeitet Nexter zusammen mit Arquus und Texelis an mehreren HED-Fahrzeugen aus dem Bereich des Scorpion Programms: Griffon 6×6 und Serval 4×4, beides gepanzerte Mehrzweckfahrzeuge. Die französischen Streitkräfte zeigen in diesem Kontext deutliches Interesse and HED Fahrzeugen und Nexter betrachtet HED Antriebssysteme als Schlüsselgebiet seiner Forschung und Entwicklung. So möchte Nexter beispielsweise die Technologie auch beim deutsch-französischen Kampfpanzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) zum Einsatz bringen. Die französische Firma Arquus hat mit dem gepanzerten Truppentransporter Electer 6×6 und dem geschützten Mehrzweckfahrzeug Scarabee 4×4 in den letzten Jahren selbst zwei eigene HED Fahrzeuge entwickelt, wobei der Scarabee von Beginn an für einen Hybridantrieb entworfen wurde. Die ebenfalls aus Frankreich stammende Firma Texelis hat sich auf die HED Elemente des Antriebsstrangs konzentriert und gründete 2021 zusammen mit QinetiQ eine strategische Partnerschaft zur Entwicklung von elektrischen Nabenmotoren und Verfahren zur Rückgewinnung von Bremsenergie.

Die britischen Streitkräfte testen im Rahmen des Technology Demonstrator 6 Programms (TD6) bereits sein 2020 drei verschiedene HED Fahrzeuge, auch unter einsatzähnlichen Bedingungen. Der Jackal 2 4×4 ist ein hochmobiles Patrouillenfahrzeug der britischen Firma Supacat, der Foxhound 4×4 ist ein geschütztes Patrouillenfahrzeug von General Dynamics UK und der MAN HX60 4×4 ist ein Taktischer LKW des deutsch-britischen Joint Ventures Rheinmetall BAE Systems Land. QinetiQ arbeitet an einer Vielzahl kundenfinanzierter Entwicklungsprogramme, unter anderem in den USA mit der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), dem Office of Naval Research (ONR) und dem RCCTO. Auch in Großbritannien arbeitet QinetiQ mit dem Mobility Test Rig (MTR) an einem Programm des Defence Science and Technology Laboratory (DSTL) des britischen Verteidigungsministeriums. Hier geht es um das Modell eines elektrisch angetriebenen gepanzerten Kampffahrzeugs im Maßstab 1:3.

Rheinmetall BAE Systems Land (RBSL) entwickelt ein Konzept, um den Dieselantrieb des Kampfpanzers Challenger 2 durch ein 1.000 kW HED System zu ersetzen, wobei es offenbar gelungen ist, dabei das Gewicht des Antriebs um 25% sowie das Volumen um 15% zu reduzieren.

In der Schweiz baut und testet General Dynamics European Land Systems – Mowag (GDELS – Mowag) einen Hybridantrieb für das leichte, geschützte Einsatzfahrzeug EAGLE 4×4. Ein wenig exotischer ist Schwedens Splitterskyddad Enhetsplattform Programm (SEP), bei dem BAE Systems Hägglunds bereits in den frühen 2000ern gepanzerte Rad und Kettenfahrzeuge als Testplattform hybridisierte, um diese für den Lufttransport kleiner und leichter bauen zu können.

Technisches Potential

Die Liste der Verbesserungen, die zumindest in Theorie erreicht werden können, ist recht lang. Zunächst einmal ermöglicht ein HED Antrieb eine reduzierte Lärm- und Wärmesignatur, was neue operationelle Möglichkeiten eröffnet („silent watch“ / „silent running“). Ferner kann das Fahrverhalten des Fahrzeugs neu optimiert werden, da über Nabenmotoren und Drive-by-Wire Technik beispielsweise jedes Rad einzeln angesteuert und angetrieben werden kann. Je nachdem, ob bei einem Hybridkonzept der Verbrennungsmotor und der elektrische Motor parallel oder in Reihe geschaltet sind, können bei Bedarf beide Antriebe zusammen kurzfristig die Motorenleistung deutlich erhöhen („burst mode“). Und getrennte Antriebsstränge erhöhen durch ihre Redundanz auch die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems. Ferner ist es in einer Hybridstruktur möglich, den Verbrennungsmotor in einem für ihn günstigen Drehzahlbereich zu betreiben, was nicht nur seine Lebensdauer und den Kraftstoffverbrauch positiv beeinflusst.

Ein zentraler Vorteil der HED Konzepte ist, dass neue Fahrzeugarchitekturen möglich werden und die Komponenten des Antriebsstrangs im Fahrzeuginnenraum neu verteilt werden können. Dies erlaubt es auch, einen besseren Schutz zu realisieren.

Darüber hinaus wird im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung der bordseitige Elektrizitätsbedarf durch energiehungrige Systeme in Zukunft immer weiter steigen: leistungsstarker Funk, IED Jammer, Battle Management Systeme, Radare, Kameras, ferngesteuerte Waffenstationen, Ladestationen für Drohnen oder Infanterieausrüstung, Klimaanlagen, Laserwaffen, etc. HED Architekturen können diesen Energiebedarf nicht nur leichter abdecken, sondern lassen sich auch flexibel als mobile Generatoren für lokale Stromnetze einsetzen.

Nicht zuletzt können HED Antriebssysteme durch Rückgewinnung der Bremsenergie und einen stark reduzierten Spritverbrauch im Leerlauf auch deutlich energieeffizienter und spritsparender sein. Zum Beispiel Kampfpanzer verbringen den größten Teil ihrer Einsatzzeit statisch im Leerlauf und haben dabei aber einen hohen Treibstoffverbrauch, insbesondere wenn sie über eine Gasturbine betrieben werden. Ein reduzierter Treibstoffverbrauch erhöht die Reichweite des Fahrzeugs, vereinfacht die gesamte Treibstofflogistik und reduziert den CO2-Fußabdruck der Streitkräfte. Dies führt zu „grüneren“ Operations.

Herausforderungen und Schlüsseltechnologien

All diese Vorteile einer HED Architektur gibt es aber nicht zum Nulltarif und eines der größten Probleme ist hier der stark begrenzte Platz im Innenraum der Fahrzeuge. Elektromotoren und Batterien erzeugen nicht nur weitere Komplexität, Gewicht und Kosten, sondern benötigen auch viel Bauraum, der in allen Militärfahrzeugen ein knappes Gut ist. Das Gewicht gepanzerter Fahrzeuge wächst stark überproportional mit der Größe des Innenraums, sodass bei einem begrenzten Maximalgewicht eine Vergrößerung der Fahrzeuge allein aus diesem Grund keine Option darstellt.

Daraus kann man ableiten, dass die Energiedichte des Speichermediums eine zentrale Schlüsselgröße für die Realisierung von HED Fahrzeugen darstellt. Dasselbe gilt für alternative Ansätze mit flüssigem oder gasförmigem Wasserstoff für Brennstoffzellen. Aktuell besitzen nur fossile Treibstoffe eine Energiedichte, die groß genug ist, um schwer gepanzerte Fahrzeuge sinnvoll zu betreiben.

Die zentralen Schlüsselfaktoren zur erfolgreichen HED Realisierung sind eine Steigerung der Energiedichte der Batterien um ca. eine Größenordnung, eine sehr kompakte Realisierung der HED Antriebseinheit sowie ein robuster, zuverlässiger und kostengünstiger Reifegrad der Technologie. Hier ist beispielsweise auf die Gefahr einer thermischen Überhitzung der Batterien hinzuweisen, die zu Batteriebränden mit giftigen Gasen im Fahrzeuginnenraum führen kann.

Für welche Fahrzeuge kann man HED Technologie also in naher Zukunft sinnvoll anwenden? Diese Fahrzeuge sollten idealerweise keine schwere Panzerung besitzen, viel Zeit im Leerlauf verbringen, mit einer Vielzahl energiehungriger Systeme ausgestattet sein, eine reduzierte Lärm- und Wärmesignatur benötigen und gleichzeitig große Strecken zurücklegen. Ausgehend von diesen Kriterien scheinen beispielsweise Späh- und Patrouillenfahrzeuge passende erste Kandidaten für eine Hybridisierung zu sein.

Grundsätzlich ist bei der Realisierung von HED Architekturen immer darauf zu achten, dass die Technologie unter realistischen Einsatzbedingungen eine echte Verbesserung verglichen mit einem konventionellen Antrieb darstellt und nicht nur verbaut wird, weil dies gerade als modern und populär erscheint. Die CO2-Bilanz einzelner Fahrzeuge ist in einem Krieg sicherlich nicht die wichtigste Größe.

Eine Perspektive für Deutschland

Deutsche Firmen haben mit konventioneller Antriebstechnik für Panzer und andere Militärfahrzeuge in den letzten Jahrzehnten weltweit Standards gesetzt, wobei diese Technologie auch heute immer noch sehr erfolgreich global eingesetzt wird. Bei den HED Antrieben liegt die technische Vorreiterrolle momentan jedoch eher im Ausland, während über die Aktivitäten deutscher Firmen vergleichsweise wenig bekannt ist. Ausnahmen hiervon sind beispielsweise die Konzeptstudien von Rheinmetall sowie der Firmen Magnet-Motor (RENK Gruppe) und Vincorion (JENOPTIK Gruppe). Auf der Eurosatory 2022 in Paris wird sicherlich der eine oder andere nationale und internationale Hersteller neue HED Produkte vorstellen und damit für Überraschungen sorgen.

Die kritische Frage bei all diesen Konzeptstudien ist, inwiefern die Technologie einsatz- bzw. serienreif ist. Dies erfordert meist langjährige Erfahrung im Umgang mit HED Systemen, wobei die britische Firma QinetiQ beispielsweise seit 10 bis 20 Jahren verstärkt an solchen Systemen arbeitet.

Während in den letzten Jahrzehnten militärische Spitzentechnologie oft kommerzielle Ableger auf dem Zivilmarkt fand, hat sich dieses Verhältnis bereits umgekehrt. Heutzutage verdrängen häufig commercial off-the-shelf (COTS) Technologien hochgezüchtete high-end Lösungen verschiedener militärischer Nischenmärkte, was klar verdeutlicht, wie viel disruptives Potenzial in HED Antriebelementen steckt. Beschaffungszyklen in diesem Bereich liegen leicht bei 10 bis 20 Jahren, stellenweise auch deutlich darüber. Sollten Antriebshersteller hier also einen Trend verschlafen und bei einer Ausschreibung diese innovativen Systeme nicht rechtzeitig liefern können, würden ihre Antriebskomponenten in der nächsten Produktgeneration folglich nicht mehr verbaut werden. Dies bedeutet, dass die jeweiligen Märkte möglicherweise auf Jahrzehnte verschlossen wären, und es bliebe unklar, inwiefern sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut erschlossen werden könnten.

Ein Beispiel für den Einsatz von COTS Antriebstechnik bei Militärfahrzeugen ist der Schützenpanzer Lynx von Rheinmetall. Dieser besitzt nicht mehr einen hochspezialisierten Militärmotor, sondern wird durch einen Liebherr Dieselmotor angetrieben, wie sie auch im Bausektor eingesetzt werden. Diese etablierten Motoren sind robust, langlebig, zuverlässig, haben sich jahrelang bewährt und können weltweit gewartet werden. Und darüber hinaus sind sie auch allein durch die hohen Stückzahlen deutlich kostengünstiger und zeitnah verfügbar. Da Liebherr nun ebenfalls erste Hybridmotoren im Produktportfolio hat, ist es voraussichtlich nur eine Frage der Zeit, bis über eine Hybridisierung des Lynx nachgedacht wird. Der Lynx ist ein möglicher Kandidat für die Nachfolge des Bradley IFVs in den Vereinigten Staaten und es ist davon auszugehen, dass dieses Nachfolgeprogramm zumindest eine gewisse Hybridisierung enthalten wird.

Insofern wird ersichtlich, wie grundsätzlich die Bedrohung disruptiver HED Konzepte für die strategische Position etablierter Antriebsfirmen ist. Es erfordert technischen Weitblick, um die strategische Ausrichtung dieser Firmen an den Technologiewandel anzupassen und die Technologieführerschaft auch in den neuen Bereichen zu erwerben sowie weltweit umzusetzen. ACTRANS ist eine Managementberatung mit Fokus auf Technologie und Innovation. Gemeinsam mit unserem Expertennetzwerk unterstützen wir unsere Klienten dabei, ihre Produktportfolios, ihre Prozesse sowie ihre Technologien auf Wachstum und Innovation auszurichten.

Von Dr. Martin Krause //

Am 19. April 2022 erklärten die US-Streitkräfte im Rahmen der Next Generation Squad Weapon Aus­schrei­bung (NGSW) für die US Army neue Sturm- und Maschinengewehre von SIG Sauer im Kaliber 6.8×51 mm zu beschaffen, um dadurch das Sturmgewehr M4 sowie die Maschinengewehre M240 und M249 zumindest teilweise durch das XM5 bzw. das XM250 zu ersetzen. Hat diese Entscheidung das Potential, die gesamte Waffen- und Munitionslogistik der Nato-Länder im Bereich militärische Gewehre grundlegend zu verändern?

Hintergrund

2017 startete das US-Militär das Next Generation Squad Weapon Programm (NGSW), um das Sturmgewehr M4 sowie die Maschinengewehre M240 und M249 inklusive Munition in den beiden Nato-Kalibern 5.56×45 mm und 7.62×51 mm zu ersetzen. Die kontroverse Diskussion über die Leistungsfähigkeit dieser beiden Kaliber ist schon Jahrzehnte alt und orientiert sich unter anderem an Aspekten wie Rückstoß, Patronengewicht, Reichweite, Zielwirkung, etc. Zuletzt wurde die Durchschlagsleistung des kleineren Nato-Kalibers 5.56×45 mm als zu gering eingeschätzt, da insbesondere ballistische Schutzwesten immer ausgereifter und stärker verbreitet sind. Um hier einen sinnvollen Kompromiss in Form eines neuen Mittelkalibers zu finden, gab die Ausschreibung 6.8 mm Projektile vor und forderte, die entsprechende Patrone dafür zusammen mit den Waffen zu entwickeln.

Von den verbliebenen Teilnehmern hat sich letztendlich SIG Sauer durchgesetzt mit dem MCX-SPEAR und dem LMG-6.8 sowie der SIG 6.8×51 mm Hybridpatrone, welche aus einer Messinghülse mit Stahlboden besteht. Zuvor unterlegene Mitbewerber verfolgten Konzepte basierend auf Polymerhülsenpatronen bzw. einer teleskopierten Munition. Ferner wurde die XM157 Optronic von Vortex gewählt, was angesichts des integrierten Ballistikrechners und der Sensorpakete einen deutlichen Schritt in Richtung digitalisiertes Gewehr bzw. Smart Rifle darstellt. Insgesamt sollen in den kommende 5 Jahren bis zu 1,4 Mrd. USD investiert werden.

Bedeutung für Deutschland und Europa

Die aktuelle Ausschreibung für ein neues Sturmgewehr der Bundeswehr läuft jetzt schon seit über einem halben Jahrzehnt, zuletzt waren noch die beiden Hersteller Heckler & Koch sowie C.G. Haenel im Rennen. Auf die technische Bewertung der Waffen im Kaliber 5.56×45 mm Nato folgte ein juristisches Tauziehen, Ausgang unklar.

Gerade vor dem Hintergrund der neuen geopolitischen Situation erscheint eine deutlich engere transatlantischen Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung sinnvoll. Insofern kann man sich fragen, ob die Bundeswehr für die nächsten Jahrzehnte ein neues Sturmgewehr im Kaliber 5.56×45 mm beschafft, wenn mit den USA der mit Abstand wichtigste NATO-Verbündete dieses Kaliber bereits heute für zu klein, zu schwach und veraltet hält.

Als theoretisch mögliches Szenario könnte die Zeit bis zur Einführung einer neunen Waffe im Kaliber 6.8×51 mm durch ein eventuelles Midlife-Upgrade des aktuell genutzten G36 überbrückt werden. Dies würde allerdings auch voraussetzen, dass in absehbarer Zeit zertifizierte Munition verschiedener Hersteller verfügbar ist. Die Kaliberdiskussion wird sicherlich auch bei jeder weiteren zukünftigen Ausschreibung für Sturmgewehre oder Maschinengewehre in Europa neu geführt werden und es besteht die Möglichkeit, dass hier de facto ein neues NATO-Standardkaliber in Ergänzung zu den bisherigen entsteht.

Allerdings beschränken sich die Folgen der NGSW Ausschreibung für Europa nicht nur auf den Bereich Waffenhersteller. Vielmehr müssen europäische Munitionshersteller auch eigene Munition im Kaliber 6.8×51 mm entwickeln und zertifizieren. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass europäische Optronikhersteller ihr Produktportfolio konsequent in Richtung digitaler Zielhilfen weiterentwickeln, beispielsweise mit Laserentfernungsmessern, Ballistikrechnern und digitalen Display-Overlays. Das Ziel ist, auch bei größeren Kampfentfernungen eine hohe Treffergenauigkeit zu gewährleisten. Und nicht zuletzt müssen gleichzeitig auch die ballistischen Schutzwesten so optimiert werden, dass Soldaten europäischer Streitkräfte hinreichend geschützt sind.

Technische Herausforderung

Aktuell hat kein Hersteller aus Deutschland eine serienreife militärische Waffe im Kaliber 6.8×51 mm oder die zugehörige Munition im Angebot und die wenigsten Hersteller in Europa werden bis heute mit diesem Kaliber überhaupt gearbeitet haben.

Militärisch zuverlässige Waffen in einem neuen Kaliber sowie die Munition dafür lassen sich nicht über Nacht entwickeln, sondern fordern erheblichen Ressourcenaufwand. Vereinfacht könnte man sich vorstellen, eine bestehende Waffe im Kaliber 5.56×45 mm oder 7.62×51 mm zu skalieren und auf das neue Kaliber umzurüsten. Dies bringt aber zunächst eine Vielzahl technischer Probleme mit sich, für welche die neue Waffe noch im Detail optimiert und mit teils sehr erheblichem Aufwand angepasst werden muss. Hierzu zählen beispielsweise die Druckverläufe in Patrone und Rohr, das hochdynamische Verhalten des Gaslademechanismus, sowie die veränderten Belastungen auf die Gesamtstruktur. Insofern sollte ein militärisches Gewehr für eine neue Patrone idealerweise als Neuentwicklung erfolgen, welche im Rahmen einer Produktfamilie durchaus auf bewährten Konzepten basieren kann. Eigene Standards setzt man insbesondere dann, wenn Waffe und Munition als System aufeinander ausgelegt sind.

Neue Chancen

Sollten also in absehbarer Zukunft in Europa Gewehre im neuen Kaliber 6.8×51 mm, die entsprechende Munition oder zugehörige Optroniken ausgeschrieben werden, werden die Karten unter den potenziellen Herstellern neu gemischt. Dasselbe gilt auch für den Fall, dass die aktuell laufende Ausschreibung für das neue Sturmgewehr der Bundeswehr tatsächlich neu aufgesetzt werden sollte. Neu gemischte Karten bedeuten konkret, dass dann auch kleinere Hersteller oder ausländische Hersteller, die bei großen Ausschreibungen bisher eher in der zweiten Reihe hinter den etablierten Playern standen, eine gute Chance haben sich zu positionieren.

Der Schlüssel zum Erfolg wird darin bestehen, die neue Technologie schneller als die Konkurrenz zu entwickeln und zu erproben, also die notwendige Innovation schnell umzusetzen. Der Konkurrenz durch verkürzte Entwicklungszyklen davonzulaufen wird jedoch nur möglich sein, wenn Erfahrungswissen, experimentelle Erprobung und neue Methodik in den Entwicklungsprozessen auf intelligente Weise miteinander kombiniert werden. Dies geschieht beispielsweise durch das konsequente Nutzen moderner Simulationstechnik in Verbindung mit Kooperationspartnern aus Forschungseinrichtungen und Universitäten. Langwierige versuchstechnische Erprobungen können so verkürzt und experimentelle Datensätze mit hochwertigen Machine Learning Algorithmen ausgewertet werden. Ferner stellt der Einsatz neuer Materialien kombiniert mit innovativen Fertigungsverfahren wie beispielsweise 3D-Druck einen fortschrittlichen Ansatz dar, genauso wie eine modular integrierte Sensorik zur optionalen Digitalisierung einer Waffe.

Wer diese strategische Chance erkennt und das disruptive Potential der Situation zu nutzen versteht, kann das Rennen um zukünftige Aufträge und die damit verbundene Marktposition gewinnen. Der Ukrainekrieg legt für die kommenden Jahrzehnte den Fokus wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung im Szenario eines symmetrischen Krieges, für den das 5.56×45 mm Kaliber als potentiell zu schwach angesehen wird. Der Wechsel hin zu einem größeren und leistungsgesteigerten Kaliber ist nicht nur durch die zunehmende Verbreitung von Schutzwesten zu begründen, sondern auch die beispielsweise deutlich verbesserten Zielhilfen schaffen neue Möglichkeiten. Wenn sich Hersteller hier Marktchancen ausrechnen, sollten sie aufgrund der langen Entwicklungszeiten ihre Aktivitäten zeitnah starten. Bei ACTRANS als Managementberatung mit einem Fokus auf Technologie und Innovation unterstützen wir unsere Klienten dabei, ihre Produktportfolios, ihrer Abläufe sowie ihrer Technologien auf Wachstum und Innovation auszurichten.

Von Daniel Salzer //

Wir leben in schwierigen Zeiten. Aus einer den meisten von uns bis dahin unbe­kannten Stadt in China, Wuhan, breitet sich zuerst in China eine Epidemie aus, die sich dann in kurzer Zeit in eine Pandemie ver­wandelt. Kein Flecken der Welt ist heute vor SARS-CoV-2 sicher; eine in den Jahr­hunderten einmalige Katas­trophe.

Gleichzeitig erlebt die Raumfahrt eine eigene Pandemie, aus der „Stadt“ New Space. Diese hat sich zuerst als Epidemie in den USA entwickelt, mit den Varianten (Mutanten?) Starlink, OneWeb, Kuiper und Telesat, um einige zu nennen. Zehntausende Satelliten… Diese Konstellations-Epidemie, auch „Konstellationitis 2“ genannt, scheint sich so langsam zu einer Pandemie zu entwickeln und hat wohl die europäischen Küsten erreicht. Der Geist einiger wichtiger Persönlichkeiten in Wirtschaft und Politik wird bereits durch „Konstellationitis 2“ beherrscht.

Sehen wir uns mal die Entwicklung dieser Epidemie in ihrer Ursprungsregion, den USA, an. Dort hat mittlerweile die Variante/ Mutante Starlink anscheinend alle anderen Mutationen in den Hintergrund gedrängt. Die Variante OneWeb musste bereits daran glauben und nach dem Konkurs im Jahr 2020 ihre Struktur grundsätzlich ändern. Heute dockt diese Variante an anderen Zellen an, hauptsächlich an den Zellen der Navigationssysteme. Einen Beweis für den Erfolg dieser neuen Variante von OneWeb in ihrem neuen Mantel haben wir natürlich nicht; ein glaubwürdiger Geschäftsplan ist nicht bekannt. Die Mutante Starlink dagegen, mit der starken DNA von Elon Musk und der finanziellen Hülle vieler Investoren, breitet sich weiter aus und greift alle anderen möglichen Varianten durch ihre bloße Präsenz an. Durch ihre DNA sind große Versprechen zu erwarten: eine praktisch unendliche Bandbreite und Datenrate, eine globale Präsenz, tausende Satelliten. Und dieses Versprechen hat sich in den Empfängerzellen, wichtiger wirtschaftlicher und politischer Autoritäten, so stark festgesetzt, dass man nicht mehr an den Sinn und die Hintergründe dieser Versprechen denkt, sondern nur noch in der Wolke schwebt. Vor allem scheint man zu dem Ergebnis zu kommen: So etwas brauchen wir auch in Europa! Dabei werden offensichtlich einige Faktoren übersehen: Wir haben hier keine Elon Musk s- auch wenn wir das wollten. Wir haben keine investorengetriebene Finanzhülle, mit der wir uns in eine „Konstellationitis 2“-Welle hineinstürzen können und für Nachahmung ist es zu spät. Das Einzige, was wir glauben zu haben, sind Steuergelder und auch das ist reine Glaubenssache.

Europa sollte sich die grundsätzliche Frage stellen, ob wir uns mit diesem Konstellations-Virus infizieren sollten und eine eigene Satellitenkonstellation implementieren müssten, um den europäischen Bürgern und der europäischen Industrie ausreichend Kommunikationsinfrastruktur zur Verfügung stellen zu können. Sehen wir uns doch das Beispiel Starlink an. Im April 2019 hat Starlink die Absicht veröffentlicht, in den folgenden 60 Monaten 44 Satelliten monatlich in den Weltraum zu bringen, und die damals spezifizierten 2.200 Satelliten innerhalb von sechs Jahren in Betrieb zu nehmen. Mittlerweile sollen es 12.000 Satelliten werden. Ende 2019 waren davon 60 Satelliten im Orbit, 57 davon betriebsbereit, und 45 davon hatten ihre spezifizierte Umlaufbahn erreicht. Im September 2019 änderte Starlink die Spezifikationen; die Änderung wurde im Dezember von der FCC genehmigt. Bis Januar 2021 hatte Starlink 1.045 Satelliten im Orbit und im Februar 2021 veröffentlichte Starlink, dass die Konstellation 10.000 Nutzer hat. Auf Basis der 99 $/Monat, der Ende 2020 von Starlink veröffentlichten Monatsgebühr, kann ein Umsatz von weniger als 1 Mio. $ angenommen werden. Laut Aussage von Elon Musk soll Starlink ab 2025 30 Mrd. $ Umsatz im Jahr generieren, ein absolut unerreichbares Ziel, da die zur Verfügung stehende Bandbreite einfach begrenzt ist – auch wenn bis dahin die Hälfte seiner geplanten 12.000 Satelliten in Betrieb wären. Dann könnte man mit ca. 3 Mrd. $/Jahr rechnen, einem Zehntel der versprochenen Zahl. Ein Businessplan ist natürlich völlig unbekannt. Vermutet wird, dass die Konstellation die Grundlage für eine Wirtschaftlichkeit der SpaceX-Launcher sein soll.

Die Logik hinter der Implementierung von Starlink ist völlig unklar, sofern man nicht zwei Faktoren ins Spiel bringt. Erstens herrscht ein Verdrängungswettbewerb, da offensichtlich bestenfalls, falls überhaupt, nur eine Konstellation die Bandbreite anbieten könnte, welche für das wirtschaftliche Überleben notwendig wäre. Und Starlink wird am schnellsten implementiert. Zweitens könnte Herr Musk ein ganz anderes Interesse verfolgen: seinem wachsenden Automobilgeschäft eine weltweite Konnektivität zu bieten, unabhängig von allen anderen Netzwerken. Es könnte also gar nicht um die Wirtschaftlichkeit einer Konstellation gehen, sondern anscheinend um die Wirtschaftlichkeit der Musk-Welt, finanziert durch den Vertrieb von Tesla-Personenkraftwagen. Und dafür ist Starlink möglicherweise ein Baustein, unabhängig von dessen Wirtschaftlichkeit. Interessanterweise scheint dieses Virus sogar Deutschland erreicht zu haben; VW hat im Februar in der Wirtschaftswoche veröffentlicht, dass über eine Zusammenarbeit mit Elon Musk mit einer europäischen Konstellationskomponente nachgedacht wird. Und es scheint sich bereits von den USA aus in China auszubreiten, gegenläufig zur Ausbreitung von COVID-19. Geely, Investor bei Daimler und Volvo, hat im Juni 2020 ca. 330 Mio. $ in eine eigene Satellitenfabrik investiert. Auch BYD hat Interesse an Satelliten gezeigt.

Für uns in Europa stellen sich zwei grundsätzliche Fragen: Erstens, ob dieses Modell für Europa wirtschaftlich sinnvoll ist, und zweitens, ob dieses Modell für die europäische Industrie und den europäischen Nutzer so kritisch ist, dass wir ein entsprechend steuerfinanziertes System implementieren müssen. Für ein derartiges System rechnet die EU mit einem Investitionsvolumen von 7–9 Mrd. € – und wir müssen damit rechnen, dass wie bei allen derartigen Projekten diese Summe überschritten wird. Wie auch für Starlink können wir sicherlich nicht von einem wirtschaftlich sinnvollen Betrieb eines solchen Systems ausgehen. Es bleibt also die offene Frage der strategischen Bedeutung eines eigenen Systems für Industrie und Nutzer in Europa – die gleiche Frage, die für das Navigationssystem Galileo nach vielen Jahren Diskussion positiv beantwortet wurde. Ein Kommunikationssystem ist aber nicht Galileo … aber wie auch bei Galileo könnten wir erst viele Jahre nach der Inbetriebnahme von Starlink diese Infrastruktur zur Verfügung stellen.

Bevor wir uns in dieses Abenteuer stürzen – und wir haben in Europa keine Raumfahrtfirma mit einem Börsenwert von 74 Mrd. $, wie aktuell SpaceX -, sollten wir den tatsächlich weltweit wirtschaftlich und sozialpolitisch erforderlichen Bedarf an Bandbreite für die europäische Industrie und den europäischen Bürger feststellen, und uns nicht a priori vom „Konstellationitis 2“-Virus infizieren lassen. Wir müssen dringend den Bedarf feststellen und die beste Möglichkeit definieren, um diesen zu decken (GEO-, MEO- und LEO-Satelliten aus Europa). Wir haben bereits heute Raumfahrt-Ressourcen in Europa, die sich mit sicherlich wesentlich geringerem Aufwand und Risiko an den zukünftigen Bedarf an weltumspannender low latency-Kommunikation anpassen lassen.

Wir haben die Möglichkeit, in Europa diese Konstellations-Pandemie zu stoppen, die wir, sehr bedauerlicherweise, im Fall von COVID-19 nicht hatten. Aber wir brauchen einen sinnvollen und kohärenten Alternativvorschlag. Die Option, nur Mister Musk et al. zuzusehen und nicht zu handeln, die haben wir nicht.

Von Daniel Salzer //

Auf den Bildschirmen der Mitarbeiter der blau ausgeleuchteten und verdunkelten Räume leuchtet das Alarm­zeichen auf: es startet eine Sojus-Rakete vom Plesetsk-Kosmodrom mit unbekannter Nutzlast, mit unbekanntem Zweck. Im Weltraum angelangt, trennt sich ein Satellit vom Träger. Nach 11 Tagen werden aus diesem Satelliten auf einmal zwei – die Mitarbeiter von US Space Command and Space Force sind überrascht und erschrocken. Nur wenige Tage später schweben diese zwei Objekte an den hochgeheimen KH-11 Beobachtungssatelliten heran, Teil der Keyhole/ CRYSTAL-Konstellation, und „umgarnen“ ihn. Zweck: unbekannt. Nach intensiver diplomatischer Tätigkeit verlassen überraschenderweise die beiden Cosmos-Satelliten ihr Ziel und umrunden weiter die Erde, bis einer dieser Satelliten einen Schuss in den Weltraum abgibt. Das Signal der russischen Satellitenmacht an die USA ist klar: Wir können jederzeit das kritische Rückgrat eurer Verteidigung, eure Satelliten, zerstören. Ihr seid dann blind, taub und orientierungslos. Science-Fiction? Nein, die Sojus-Rakete mit den zwei Satelliten, genannt Cosmos 2542 und Cosmos 2543, starteten am 26. November 2019 von Plesetsk.

Am 8. Januar 2020 um ca. 1:00 Uhr morgens entdecken die Infrarotsensoren der US-Satelliten den Abschuss von mehr als einem Dutzend Qiam-1 und Fateh-313-Raketen von drei Startpunkten im westlichen Iran. Die Soldaten der Buckley Air Force Base in Aurora, Colorado reagieren sofort. Die Flugbahnen werden ausgewertet und die amerikanischen Stützpunkte Al Awad und Erbil im Irak werden über die Kommunikationssatelliten informiert. Um 1:34 Uhr schlagen die Raketen ein, fast alle in diesen Stützpunkten stationierte Soldaten haben in der Zwischenzeit Schutz in Bunkern oder Schützengräben gesucht. Es werden zwar 109 Soldaten verletzt, aber es gibt keine Toten zu verzeichnen. Auch dies ist keine Science-Fiction, auch diesmal verdanken viele Soldaten ihr Leben der funktionierenden Raumfahrt-Infrastruktur der USA.

Seit Oktober 2014 hat der russische Satellit Luch-Olymp ca. 15 westliche Kommunikationssatelliten „besucht“, einschließlich im September 2018 den französisch-italienischen militärischen Kommunikationssatelliten Athena-Fidus. Im April 2019 wurde in Russland ein Antisatelliten-Raketensystem erprobt und im Dezember 2019 ein Laser-System, um Satelliten zu blenden. Im März 2019 hat Indien ein eigenes Antisatellitensystem erprobt und einen eigenen Satelliten zerstört. Mittlerweile haben nicht nur Russland, Indien, die USA und China, sondern auch der Iran, Nordkorea und Pakistan die Fähigkeit, Satelliten zu zerstören, und planen, diese Fähigkeiten weiter auszubauen.

In den USA sind ca. 1300 aktiven Satelliten registriert. Das Rückgrat dieser militärischen Infrastruktur besteht aus ca. 190 militärischen und 170 behördlichen Satelliten für die Kommunikation, ISR (Erdbeobachtung, Signal Recognition, etc.) und die Navigation (GPS). Um dieses kritische Rückgrat, eine wahre Achillesferse der westlichen Verteidigung, zu schützen, bauen die USA gerade das US Space Command and die Space Force auf. Dafür wird Personal aus den anderen Teilstreitkräften eingesetzt beginnend mit 16.000 Mitarbeitern der Air Force. Das geschätzte einmalig erforderliche Zusatzbudget für den Aufbau dieser neuen Teilstreitkraft über die nächsten 5 Jahre beträgt 3 Mrd. US$, zuzüglich 1 Mrd. US$ für neue administrative Positionen.

Und was tut Europa? In Europa werden ca. 30 militärische Satelliten betrieben: in Frankreich, Großbritannien, Italien, Deutschland und Spanien – ein Bruchteil der US-Infrastruktur, aber deswegen umso kritischer. Anlässlich des Luch-Olymp-Falls hat Präsident Macron am 14. Juli 2019 die Gründung des „Commandement de l’Espace“ angekündigt, welches am 8. September 2019 in Toulouse eingerichtet wurde, um die französische Raumfahrt-Infrastruktur zu schützen.

Umgehend nach der Ankündigung hat sich dazu der deutsche Luft- und Raumfahrtkoordinator geäußert, den nationalen Alleingang der Franzosen kritisiert und diese Aufgabe auf die europäische Ebene gehoben. Aber was ist danach auf europäischer Ebene passiert? Wo steht eine europäische Initiative? Sicherlich kann Europa nichts Vergleichbares zum US Space Command aufbauen – schon aus finanziellen Gründen. Europa muss eng mit den US-Fähigkeiten verzahnt sein. Dazu müssten von Europa komplementäre Fähigkeiten zu den USA eingebracht werden, zum Beispiel im Bereich Boden-Infrastruktur, Sensorik für die Beobachtung von Raketenstarts vom Boden und vom Weltraum (beispielsweise komplementär zum im März 2020 in Betrieb genommenen US Space FenceRadarsystem) und gegebenenfalls Anti-Satellitenfähigkeiten. Außer einigen im Vergleich zu den USA ziemlich embryonalen nationalen Initiativen im Bereich Space Situational Awareness hat Europa sehr wenig oder nichts zu bieten. Zudem brauchen wir europäische Datenverarbeitungszentren, Kommunikation, und vieles mehr.

Gibt es eine Strategie für eine effektive Nutzung und Verteidigung der so kritischen Infrastruktur auf europäischer Ebene?

Brauchen wir eine solche überhaupt? Natürlich hat Europa eine Alternative: unsere Streitkräfte intensiv an der Anwendung des Sextanten für die Positionsbestimmung auszubilden sowie die Luftwaffenpiloten in der Luftbild-Fotografie. Und für die Kommunikation können Brieftauben-Bataillone eingerichtet werden. Nur für den Fall der Fälle.

Von Dr. Marco Soijer //

Wie die jahrhundertealte Sicherheitskultur in der Luftfahrtindustrie zu erhöhter Cybersicherheit beitragen kann

Softwareentwicklung hat eine schlechte Sicherheitsbilanz. Die Zahl der Cyberattacken ist seit 2004 dramatisch und in einem deutlich höheren Ausmaß angestiegen, als sich das Internet selbst entwickelt hat. Gleichzeitig erreicht die Luftfahrt nachweislich höchste Sicherheits­standards und kann dem gesamten IT-Sektor als Beispiel dienen. Trotz stetig wachsender Software-Komplexität sorgen die bestehenden Zertifizierungsprozesse für fliegendes Gerät dafür, dass die Software enorm zuverlässig ist. Der aktuelle Zertifizierungsprozess für IT-Produkte greift auf ähnliche formale Entwicklungsmethoden zurück, ist jedoch weniger weit verbreitet als sein Luftfahrt-Pendant. Was noch schwerer wiegt, eine Sicherheitskultur wie in der Luftfahrtindustrie ist nicht vorhanden. Der gesamte Bereich der Informationstechnologie könnte davon profitieren, die Methoden, Verfahren und das Mindset der Luftfahrtindustrie im Rahmen seines Entwicklungsprozesses aufzugreifen. Aufgrund der Ähnlichkeit der beiden formalen Entwicklungswelten wird eine Übertragung vergleichsweise einfach möglich sein.

In seinem Whitepaper lässt Senior Consultant Dr. Marco Soijer aktuelle Vorfälle, die durch fehlerhafte Software ausgelöst wurden, Revue passieren und erörtert, inwieweit wesentliche Aspekte der Sicherheitskultur in der Luftfahrtindustrie auf eine breitere Palette von IT-Produkten anwendbar sind. Dabei greift er sowohl auf seine umfangreiche Erfahrung in der europäischen Luftfahrtindustrie als auch auf aktuelles Wissen aus dem Bereich Cybersicherheit zurück.

PDF Download: WhitePaper_FromAviationSafety_to_CyberResilience

Von Dr. Martin Kraus //

Der Ursprung agiler Methoden

Vor etwa 25 Jahren begann der Hype um „Lean“: Lean Management, Lean Production, Lean etc. Das Buzz-Word der heutigen Zeit ist „Agile“. Bei unseren Kunden und in der ge­samten Industrie finden wir Change-Projekte rund um Agilität: Agiles Unternehmen, agiles Management, agile Entwicklung, agile Pro­zesse usw. Aber wir sehen ein sehr diffuses Bild über das, was unter „agil“ verstanden und was mit diesen Veränderungsprojekten erreicht werden soll.

Seinen Ursprung, wenn man das überhaupt so sagen kann, hat „Agile“ Mitte der 90er Jahre im von Jeff Sutherland und Ken Schwaber im „Agile Manifesto“ beschrie­be­nen Prozess-Modell, das in seiner Anwend­ung allgemein als „Scrum“ bekannt ist. Im Fokus standen dabei Software-Ent­wicklungen, bei denen sowohl die Produkt­eigenschaften als auch der Weg der Realisierung am Projektbeginn nicht eindeutig sind.

Zur Klärung der Frage, wann ein Projekt mit einer agilen oder einer „klassischen“ Me­thode im Entwicklungsprozess und Projekt­management durchgeführt werden soll, wurde von Ralph Douglas Stacey ein Krite­rienkatalog erarbeitet, der als „Stacey-Matrix“ bekannt wurde.

Das Prozessmodell Scrum selbst ist einfach, aber in einer Weise so stringent, dass der Prozess als solcher keinesfalls als agil be­zeichnet werden kann. Außenstehende erlie­gen hier häufig schon dem ersten Missver­ständnis. Weiterhin ist Scrum nur ein Ansatz beim Versuch, Komplexität zu beherrschen. Verringern kann man sie damit nicht. Der Nachweis, dass Scrum in größeren, komple­xen Softwareprojekten erfolgreich umge­setzt wurde, ist m.E. bisher nicht erbracht.

Der Transfer agiler Methoden in den Bereich Aerospace & Defence

Zunehmend wird versucht, die Scrum-Methodik auch auf andere Produktentwick­lungsprojekte und dementsprechend auf das Projektmanagement zu übertragen. Hierfür gibt es gute Ansätze, allerdings erst dann, wenn man die Ideen und Prozess-Elemente aus dem „Agilen Manifest“ in geeigneter Weise adaptiert. Womit man sich, zumindest aus Sicht der „ideologischen Urväter“, von Scrum entfernt.

Den Scrum-Hype ausnützend bewerben manche Unternehmen ihre Produkte sogar damit, dass sie mit agilen Methoden entwi­ckelt wurden. Damit erheben sie Scrum und agile Methoden zu einem Qualitätsmerkmal, was sie aber definitiv nicht sind.

Die Aerospace & Defence-Welt unterscheidet sich von der Software-Industrie (z.B. Gaming, VR, App-Entwicklung) oder der Konsumgüter-Welt in vielen Punkten teil­weise grundlegend, z.B.:

  • Die Vorhaben sind umfangreicher, d.h. sie involvieren große Teams, viele Personen, Partner und Lieferan­ten.
  • Die Projekte sind oft multi-national mit Partnerfirmen in unterschiedli­chen Län­dern und Standorten. Das erfordert das Zusammenkommen unterschiedlicher Prozesswelten und – vor allem – Kultu­ren.
  • Diese Komplexität ist das Spiegelbild der Kundenseite mit unterschiedli­chen Anfor­derungen an ein Produkt oder ein System sowie mit teils ge­genläufigen politischen und wirt­schaftlichen Interessen (z.B. „local workshare“).
  • Die Entwicklungsprojekte sind kom­plex und beinhalten meistens Kom­ponenten, bei denen die Grenzen der Machbarkeit ausgereizt werden.
  • Die Entwicklungs- und Produkt­lebenszyk­len sind viel länger als in den dynami­schen, verbraucher­nahen Industrien.
  • Obwohl immer mehr Funktionalität durch Software realisiert wird, wird die Gesamt­performance durch die Integration von Hard- und Software und mit einer Platt­form erreicht.
  • Komplexe Qualifikations- und Zulas­sungsvorgaben beeinflussen sowohl das Design selbst als auch alle Ent­wicklungs‑, Fertigungs- und Nach­weis-Prozesse.

Trotzdem sind agile Methoden und Denkwei­sen in der A&D-Welt anwendbar. In welchem Umfang und für welche Elemente eines Pro­dukts oder Systems sollte jedoch jeweils sorgfältig analysiert werden. Bestimmte Pha­sen eines Projekts sind möglicherweise bes­ser geeignet als andere. Z.B. ist die Konzept- oder auch die Definitionsphase eines Pro­jekts geeignet, mit Scrum-nahen Ansätzen bearbeitet zu werden. Voraussetzung ist, dass sich alle Partner und vor allem auch der Kunde bzw. die Kunden auf ein solches Vor­gehensmodell einlassen, das ein hohes Maß an Interaktion erfordert. So kann als Ergeb­nis eine von allen Seiten gleich verstandene und gemeinsam getragene Produktbeschrei­bung oder Spezifikation stehen.

Auch eine Software-Architektur oder spezifi­sche Software-Funktionen können mit Scrum oder zumindest davon abgeleitet entwickelt werden. Hierfür sind jedoch generell neue SW- und SW/HW-Architekturen erforderlich. „App“-nahe Anwendungen in einem funktio­nalen SW-Verbund ermöglichen nicht nur agile Entwicklungsmethoden, sie erlauben auch flexiblere Anpassungen während des Produktlebenszyklus.

Agile Methoden im Widerspruch zu anderen Vorgehensmodellen?

Für viele Projekte in unserer Branche ist die Anwendung des „V-Modells“ vertraglich ver­einbart. Das V-Modell hat sich seit seiner Ein­führung (übrigens durch den deutschen öf­fentlichen Auftraggeber) sehr bewährt und hat auch Eingang in nicht-militärische Berei­che gefunden. Heute hört oder liest man ge­legentlich, dass Unternehmen das V-Modell durch agile Methoden ersetzen wollen. Auch hier liegt ein Missverständnis vor. Die beiden Vorgehensmodelle stehen keineswegs im Wi­derspruch. Agile Methoden lassen sich mit dem V-Modell problemlos verbinden. Die Vorteile und die Logik des V-Modells sollten nicht ad acta gelegt werden. Auch als for­male Grundlage für die Qualifikation und die Zulassung ist es bewährt.

Ein gerne gewähltes Beispiel für eine Scrum-Anwendung in der jüngeren Luftfahrt ist die Gripen E von SAAB. Allerdings steht hierfür lediglich ein mit dem „Scrum-Institute“ ge­haltener Vortrag als öffentlich zugängliche Quelle zur Verfügung. Weitere Recherchen und persönliche Diskussionen mit SAAB zu­folge wurden alle Prozesse auf „agil“ umge­stellt und auch sicherheitskritische Software mit Scrum entwickelt. Allerdings lassen die Gripen-Programmverzögerungen zumindest gewisse Zweifel an der erfolgreichen Imple­mentierung zu.

In der A&D-Industrie stellen sich hybride Vorgehensweisen in der Entwicklung und im Projektmanagement als beste Lösung her­aus. Bei den agilen Methoden dürfte sowohl für das Management als auch den Kunden eine Herausforderung beispielsweise darin bestehen zu akzeptieren, dass beim Start des (Teil-)Projekts weder eine Zeit- noch eine Budgetplanung existieren und auch nicht bekannt ist, in welcher Abfolge welche Teillösungen und Zwischenprodukte verfüg­bar sind.

Unternehmensweite Agilität

Lenkt man den Fokus auf das Gesamtunter­nehmen, dann muss eine „Agilisierung“ ganzheitlich betrachtet und angegangen werden. Es ist per se nicht ausreichend zu fordern, die Entwicklung oder die Fertigung müsse agiler werden. Es müssen dann alle operativen Kernprozesse und die Manage­mentprozesse erst der Analyse und dann der Veränderung unterzogen werden.

Für ein größeres, vielleicht sogar unterneh­mensweites Veränderungsprojekt unter dem Leitsatz „Wir wollen agiler werden!“ müssen am Anfang vor allem ein übergreifendes, ge­meinsam getragenes Verständnis von „Agili­tät“ und „agil“ geschaffen sowie die überge­ordneten Ziele des Projektes klar und ver­ständlich vereinbart werden. Andernfalls ist schon das Veränderungsprojekt selbst das Gegenteil von agil und wird wirkungslos blei­ben.

Für eine Initialdiskussion und bei der Erar­beitung der Zielsetzungen eines „Agility“-Veränderungsprojekts steht Ihnen das ACTRANS-Team zur Verfügung.