Software-defined Defence – Schlüssel zur Wirk­ungs­über­legen­heit

Von Dr. Martin Krause und Dr. Mike Körner //

Die meisten Produkte im Rüstungs­­bereich kommen heute ohne Software nicht mehr aus und Digital­isierung wird zu einem immer wichtigeren Differenz­ierungs­merkmal. In den letzten Monaten wird vermehrt ein Paradigmen­wechsel Richtung Software als bestimmendes Element erkennbar. Kommt es zu Software-defined Defence?

Software-defined Defense

Software-defined Defense beschreibt eine durchdachte Kombination aus Hardware und Software, bei der das gesamte Funktionalitätsspektrum des Rüstungssystems um die Funktionalität der Software herum konstruiert ist. Dies stellt kein proprietäres System dar, sondern eine offene, modulare Architektur mit standardisierten Schnittstellen für Hardware und insbesondere für Software. Während die Hardware oft ein gutes Stück weit ausgereizt ist, bieten Software-getriebene Funktionalitäten ein vergleichsweise hohes Potenzial zur Leistungssteigerung des Gesamtsystems.

Zivile Produkte, bei denen erfolgreich eine Kombination aus Hardware und Software um die Funktionalität der Software herum gebaut wurden, sind beispielsweise das iPhone oder die Tesla Elektroautos von Elon Musk.

Vorteile und mögliche Anwendungen

Dies bietet zahlreiche Vorteile, unter anderem:

  • Grundlegend neue Funktionalitäten
  • Kürzere Entwicklungszeiten
  • Niedrigere Entwicklungskosten
  • Höhere Flexibilität
  • Austauschbarkeit einzelner Module
  • Höheres Potenzial für leistungssteigernde Upgrades

Es handelt sich um einen datenzentrierten Ansatz, bei dem es im Rahmen der Automatisierung nicht zwangsweise darum geht, autonome Systeme ohne einen menschlichen Operator zu betreiben (human-out-of-loop). Vielmehr ermöglicht es einem Operator, eine große Anzahl an Systemen effizient und effektiv zu monitoren und zu führen, beispielsweise einen Drohnenschwarm (human-on-loop).

Anwendungsmöglichkeiten für Software-defined Defense bestehen in fast allen Bereichen der Streitkräfte: Autonome Systeme (UxS), Manned-Unmanned-Teaming (MUM-T), Command and Control (C2), Cyber Warfare, vernetze Kommunikation, Virtual/ Augmented Reality (VR/ AR), Logistik, elektronische Kriegsführung (EW), Aufklärung und Überwachung (ISR) und vieles mehr.

Der Software-Anteil befindet sich zwar bei jedem neuen militärischen System auf dem Vormarsch, jedoch basieren diese Systeme meist auf proprietärer Software, welche mit Auslieferung der Systeme nur sporadisch weiterentwickelt wird. Software-defined Defence befindet sich noch in den Anfängen und es wurde noch kein vollständiges System nach diesem Konzept entwickelt. Verschiedene große Entwicklungsprogramme wie das Future Combat Air Sytem (FCAS) versuchen in diesem Bereich eine domänenübergreifende Vernetzung von Sensorik, Effektorik und Lagebildern auf bisher nicht erreichtem Niveau zu schaffen. Dies geschieht durch neue Ansätze wie beispielsweise eine Multi-Domain-Combat Cloud. Es gibt jedoch erste Beispiele, welche man bereits im Ukrainekrieg beobachten kann.

Starlink – Resilienz durch Flexibilität

Elon Musks Starlink Kommunikationssatelliten erwiesen sich als besonders wichtig für die militärische Koordinierung der Ukraine. Deren Streitkräfte waren auf die kleinen, tragbaren Terminals angewiesen, um über das Gefechtsfeld zu kommunizieren und Informationen weiterzugeben. Die Starlink Terminals wurden auch direkt auf Aufklärungsdrohnen integriert, wodurch man somit feindliche Stellungen aufklären und die Zielkoordinaten direkt via Starlink Satellit an die Artillerie weitergeben konnte. Dies hat zu einer signifikanten Verkürzung der sogenannten „Kill-Chain“ geführt.

Russland versuchte bereits in den ersten Monaten die Starlink Kommunikation mittels Elektronischer Kriegsführung und gezielten Jamming-Angriffen auf die genutzten Frequenzen zu stören. Diese Jamming-Angriffe waren jedoch nur für eine kurze Zeit erfolgreich. Bei Starlink wurde ein Software-Update für die Satelliten und Terminals in kürzester Zeit entwickelt, wodurch die russischen Jamming-Angriffe erfolgreich abwehrt werden konnte. Das Starlink System erwies sich somit mittels Software-Updates als anpassungsfähig und resilient. Klassische proprietäre Satellitensysteme ohne die Möglichkeit von Software-Updates, wären zu dieser Anpassung im Frequenzspektrum nicht fähig gewesen. Die militärische Fachwelt war von den Möglichkeiten der Software-Updates begeistert.

Mittlerweile mehren sich jedoch Berichte, dass Russland wieder in Führung liegt, da die russische, elektronische Kriegsführung (Tobol-System) mittlerweile auf einen anderen Angriffsvektor setzt. Anstatt die Frequenzen durch Jamming-Angriffe zu stören, setzt man lauf Berichten auf die Störung des GPS-Signals. Hierdurch wird die Synchronisation zwischen Starlink-Bodenstation und Starlink Satellit unterbrochen bzw. erschwert. Wie Starlink auf diese neue Herausforderung reagieren wird, bleibt abzuwarten. Jedoch haben Wissenschaftler mittlerweile nachgewiesen, dass die Signale von Starlink-Satelliten zur Positionsbestimmung mit einer Genauigkeit von acht Metern eingesetzt werden können. Diese inhärente GPS-Alternative könnte Starlink wieder gegenüber der russischen elektronischen Kriegsführung in Führung bringen und hätte natürlich auch weitere interessante Einsatzmöglichkeiten. Das Starlink Beispiel gibt einen Ausblick auf die Geschwindigkeit und Dynamik der gegenseitigen Anpassungen im zukünftigen Software-defined Defence.

Herausforderungen für die Einführung von Software-defined Defence

Der schnellen Einführung von Software-defined Defence stehen eine Vielzahl von Herausforderungen gegenüber:

  • Mangelnde Interoperabilität der Systeme
  • Nationale Normen und Standards
  • Neue Risiken im Bereich Cybersicherheit
  • Komplexität des Gesamtsystems
  • Einbindung nicht-digitaler Alt-Systeme
  • Rechtliche und ethische Vorgaben

Transformation des Geschäftsmodells

Für traditionelle Defence-Firmen ist die Einführung von Software-defined Defence mit einer umfassenden Transformation verbunden. Das Geschäftsmodell wandelt sich von einem hardwarebestimmten Projektgeschäft zu einem softwarebestimmten Servicegeschäft. Diese Veränderung ist verbunden mit dem Aufbau neuer Kompetenzen insbesondere in der Entwicklung sowie im Produktmanagement und der Neugestaltung der Entwicklungsprozesse. Die frühzeitige und bewusste Transformation lohnt sich jedoch, da man sich hierdurch einen langfristigen Wettbewerbsvorteil erarbeiten kann.

Dieser Vorteil greift, sobald die staatlichen Kunden diese Funktionalitäten fordern werden. Beispielsweise bei dem US-amerikanischen Optionally Manned Fighting Vehicle Programm (OMFV), mit dem das Pentagon den US-Schützenpanzer M2 Bradley (IFV) ersetzen will, ist dies bereits explizit der Fall in Form einer modularen und offenen Systemarchitektur (MOSA).

Natürlich gibt es bei den etablierten OEMs einen gewissen Widerstand gegen diesen Transformationsprozess, da die Firmen lange von dem Lock-in Effekt proprietärer Systeme profitiert haben und das Servicegeschäft das etablierte Projektgeschäft teilweise kannibalisieren wird. Allerdings werden die veränderten Kundenforderungen diese Anpassung voraussichtlich früher oder später ohnehin erzwingen. Insofern schafft eine frühzeitige Weichenstellung einen First-Mover Advantage, der die eigenen Produkte von der Konkurrenz absetzt und eine später umso schmerzhaftere Umstellung vermeidet.

ACTRANS ist eine Managementberatung mit Fokus auf die Aerospace und Defence Branche. Gemeinsam mit unserem Expertennetzwerk unterstützen wir unsere Klienten bei der Ausrichtung des Produktportfolios, der Prozesse und der Technologie auf Software-defined Defence.