Hybrid­antriebe für Militär­fahr­zeuge?

Von Dr. Martin Krause //

Hybrid- und Elektro­fahr­zeuge sind auf dem zivilen Markt immer erfolg­reicher und längst keine tech­nische Vision mehr. Doch ist diese Techno­logie auch im milit­ärischen Kontext sinn­voll einsetz­bar? Die Stimmen, die einen umwelt­freund­licheren Betrieb der Streit­kräfte fordern, werden welt­weit lauter und die Liste der laufenden Forschungs­programme dazu ist lang. Bedeutet das, dass zukünftig kein Treib­stoff mehr benötig wird und alles voll elektrisch und digital abläuft? Oder geht es vielmehr um ein absurdes Szenario, bei dem mitten in der Wüste Batterien aufge­laden und im Kriegs­gebiet standard­isiere Lade­säulen installiert werden müssen?

Sinn und Unsinn derartiger Konzepte lassen sich am besten bewerten, indem man die Vor- und Nachteile hybrider Antriebe versteht, die relevanten Schlüsseltechnologien identifiziert und dann bewertet, für welche Militärfahrzeuge hybride Antriebe sinnvoll sein können.

Erklärung Hybrid Electric Drive

Unter einem Hybrid Electric Drive (HED) System versteht man allgemein ein Antriebssystem, bei dem Verbrennungsmotoren mit elektrischen Antriebskomponenten wie Batterien, Generatoren und Elektromotoren kombiniert werden. Diese treiben dann je nach Fahrmodus das Fahrzeug einzeln oder gemeinsam an, wobei der Verbrennungsmotor normalerweise die Batterien über einen Generator lädt. Abhängig von der Konstruktionsweise gibt es entweder zwei parallele Antriebsstränge, oder der Verbrennungsmotor betreibt nur noch einen Generator, sorgt aber nicht mehr selbst über ein Getriebe für Vortrieb. Getankt wird nach wie vor Kraftstoff.

Diese HED Architektur unterscheidet sich von rein elektrischen Antrieben, bei denen Batterien über externe Stromquellen geladen werden müssen. Synthetische Kraftstoffe wie beispielsweise Biodiesel führen zwar ebenfalls zu einer verbesserten CO2-Bilanz, fallen aber nicht unter HED-Antriebe.

Weltweite Aktivitäten

Weltweit gibt es eine Vielzahl von militärischen Testprogrammen für HED Prototypen mit dem Ziel, die Technologie besser zu verstehen, sinnvolle Konzepte zu erarbeiten und Fahrzeuge realistisch zu erproben. Viele dieser Aktivitäten konzentrieren sich auf die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, so zum Beispiel das Bradley Hybrid Electric Vehicle Programm, an dem seit 2020 in den USA BAE Systems mit QinetiQ arbeiten. Der 32 Mio. USD Vertrag mit dem Rapid Capabilities and Critical Technologies Office (RCCTO) der US-Army beinhaltet die Hybridisierung von zwei Bradley A2 Infantry Fighting Vehicles (IFV) und über eine mögliche Ausweitung auf die Programme Armored Multi-Purpose Vehicle (AMPV) sowie Optionally Manned Fighting Vehicle (OMFV) wird nachgedacht. Ebenfalls in den USA hat Oshkosh Defense mit dem Electric Joint Light Tactical Vehicle (eJLTV) eine hybride Version des JLTVs geschaffen, welche deutlich treibstoffeffizienter arbeitet.

In Frankreich arbeitet Nexter zusammen mit Arquus und Texelis an mehreren HED-Fahrzeugen aus dem Bereich des Scorpion Programms: Griffon 6×6 und Serval 4×4, beides gepanzerte Mehrzweckfahrzeuge. Die französischen Streitkräfte zeigen in diesem Kontext deutliches Interesse and HED Fahrzeugen und Nexter betrachtet HED Antriebssysteme als Schlüsselgebiet seiner Forschung und Entwicklung. So möchte Nexter beispielsweise die Technologie auch beim deutsch-französischen Kampfpanzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) zum Einsatz bringen. Die französische Firma Arquus hat mit dem gepanzerten Truppentransporter Electer 6×6 und dem geschützten Mehrzweckfahrzeug Scarabee 4×4 in den letzten Jahren selbst zwei eigene HED Fahrzeuge entwickelt, wobei der Scarabee von Beginn an für einen Hybridantrieb entworfen wurde. Die ebenfalls aus Frankreich stammende Firma Texelis hat sich auf die HED Elemente des Antriebsstrangs konzentriert und gründete 2021 zusammen mit QinetiQ eine strategische Partnerschaft zur Entwicklung von elektrischen Nabenmotoren und Verfahren zur Rückgewinnung von Bremsenergie.

Die britischen Streitkräfte testen im Rahmen des Technology Demonstrator 6 Programms (TD6) bereits sein 2020 drei verschiedene HED Fahrzeuge, auch unter einsatzähnlichen Bedingungen. Der Jackal 2 4×4 ist ein hochmobiles Patrouillenfahrzeug der britischen Firma Supacat, der Foxhound 4×4 ist ein geschütztes Patrouillenfahrzeug von General Dynamics UK und der MAN HX60 4×4 ist ein Taktischer LKW des deutsch-britischen Joint Ventures Rheinmetall BAE Systems Land. QinetiQ arbeitet an einer Vielzahl kundenfinanzierter Entwicklungsprogramme, unter anderem in den USA mit der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), dem Office of Naval Research (ONR) und dem RCCTO. Auch in Großbritannien arbeitet QinetiQ mit dem Mobility Test Rig (MTR) an einem Programm des Defence Science and Technology Laboratory (DSTL) des britischen Verteidigungsministeriums. Hier geht es um das Modell eines elektrisch angetriebenen gepanzerten Kampffahrzeugs im Maßstab 1:3.

Rheinmetall BAE Systems Land (RBSL) entwickelt ein Konzept, um den Dieselantrieb des Kampfpanzers Challenger 2 durch ein 1.000 kW HED System zu ersetzen, wobei es offenbar gelungen ist, dabei das Gewicht des Antriebs um 25% sowie das Volumen um 15% zu reduzieren.

In der Schweiz baut und testet General Dynamics European Land Systems – Mowag (GDELS – Mowag) einen Hybridantrieb für das leichte, geschützte Einsatzfahrzeug EAGLE 4×4. Ein wenig exotischer ist Schwedens Splitterskyddad Enhetsplattform Programm (SEP), bei dem BAE Systems Hägglunds bereits in den frühen 2000ern gepanzerte Rad und Kettenfahrzeuge als Testplattform hybridisierte, um diese für den Lufttransport kleiner und leichter bauen zu können.

Technisches Potential

Die Liste der Verbesserungen, die zumindest in Theorie erreicht werden können, ist recht lang. Zunächst einmal ermöglicht ein HED Antrieb eine reduzierte Lärm- und Wärmesignatur, was neue operationelle Möglichkeiten eröffnet („silent watch“ / „silent running“). Ferner kann das Fahrverhalten des Fahrzeugs neu optimiert werden, da über Nabenmotoren und Drive-by-Wire Technik beispielsweise jedes Rad einzeln angesteuert und angetrieben werden kann. Je nachdem, ob bei einem Hybridkonzept der Verbrennungsmotor und der elektrische Motor parallel oder in Reihe geschaltet sind, können bei Bedarf beide Antriebe zusammen kurzfristig die Motorenleistung deutlich erhöhen („burst mode“). Und getrennte Antriebsstränge erhöhen durch ihre Redundanz auch die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems. Ferner ist es in einer Hybridstruktur möglich, den Verbrennungsmotor in einem für ihn günstigen Drehzahlbereich zu betreiben, was nicht nur seine Lebensdauer und den Kraftstoffverbrauch positiv beeinflusst.

Ein zentraler Vorteil der HED Konzepte ist, dass neue Fahrzeugarchitekturen möglich werden und die Komponenten des Antriebsstrangs im Fahrzeuginnenraum neu verteilt werden können. Dies erlaubt es auch, einen besseren Schutz zu realisieren.

Darüber hinaus wird im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung der bordseitige Elektrizitätsbedarf durch energiehungrige Systeme in Zukunft immer weiter steigen: leistungsstarker Funk, IED Jammer, Battle Management Systeme, Radare, Kameras, ferngesteuerte Waffenstationen, Ladestationen für Drohnen oder Infanterieausrüstung, Klimaanlagen, Laserwaffen, etc. HED Architekturen können diesen Energiebedarf nicht nur leichter abdecken, sondern lassen sich auch flexibel als mobile Generatoren für lokale Stromnetze einsetzen.

Nicht zuletzt können HED Antriebssysteme durch Rückgewinnung der Bremsenergie und einen stark reduzierten Spritverbrauch im Leerlauf auch deutlich energieeffizienter und spritsparender sein. Zum Beispiel Kampfpanzer verbringen den größten Teil ihrer Einsatzzeit statisch im Leerlauf und haben dabei aber einen hohen Treibstoffverbrauch, insbesondere wenn sie über eine Gasturbine betrieben werden. Ein reduzierter Treibstoffverbrauch erhöht die Reichweite des Fahrzeugs, vereinfacht die gesamte Treibstofflogistik und reduziert den CO2-Fußabdruck der Streitkräfte. Dies führt zu „grüneren“ Operations.

Herausforderungen und Schlüsseltechnologien

All diese Vorteile einer HED Architektur gibt es aber nicht zum Nulltarif und eines der größten Probleme ist hier der stark begrenzte Platz im Innenraum der Fahrzeuge. Elektromotoren und Batterien erzeugen nicht nur weitere Komplexität, Gewicht und Kosten, sondern benötigen auch viel Bauraum, der in allen Militärfahrzeugen ein knappes Gut ist. Das Gewicht gepanzerter Fahrzeuge wächst stark überproportional mit der Größe des Innenraums, sodass bei einem begrenzten Maximalgewicht eine Vergrößerung der Fahrzeuge allein aus diesem Grund keine Option darstellt.

Daraus kann man ableiten, dass die Energiedichte des Speichermediums eine zentrale Schlüsselgröße für die Realisierung von HED Fahrzeugen darstellt. Dasselbe gilt für alternative Ansätze mit flüssigem oder gasförmigem Wasserstoff für Brennstoffzellen. Aktuell besitzen nur fossile Treibstoffe eine Energiedichte, die groß genug ist, um schwer gepanzerte Fahrzeuge sinnvoll zu betreiben.

Die zentralen Schlüsselfaktoren zur erfolgreichen HED Realisierung sind eine Steigerung der Energiedichte der Batterien um ca. eine Größenordnung, eine sehr kompakte Realisierung der HED Antriebseinheit sowie ein robuster, zuverlässiger und kostengünstiger Reifegrad der Technologie. Hier ist beispielsweise auf die Gefahr einer thermischen Überhitzung der Batterien hinzuweisen, die zu Batteriebränden mit giftigen Gasen im Fahrzeuginnenraum führen kann.

Für welche Fahrzeuge kann man HED Technologie also in naher Zukunft sinnvoll anwenden? Diese Fahrzeuge sollten idealerweise keine schwere Panzerung besitzen, viel Zeit im Leerlauf verbringen, mit einer Vielzahl energiehungriger Systeme ausgestattet sein, eine reduzierte Lärm- und Wärmesignatur benötigen und gleichzeitig große Strecken zurücklegen. Ausgehend von diesen Kriterien scheinen beispielsweise Späh- und Patrouillenfahrzeuge passende erste Kandidaten für eine Hybridisierung zu sein.

Grundsätzlich ist bei der Realisierung von HED Architekturen immer darauf zu achten, dass die Technologie unter realistischen Einsatzbedingungen eine echte Verbesserung verglichen mit einem konventionellen Antrieb darstellt und nicht nur verbaut wird, weil dies gerade als modern und populär erscheint. Die CO2-Bilanz einzelner Fahrzeuge ist in einem Krieg sicherlich nicht die wichtigste Größe.

Eine Perspektive für Deutschland

Deutsche Firmen haben mit konventioneller Antriebstechnik für Panzer und andere Militärfahrzeuge in den letzten Jahrzehnten weltweit Standards gesetzt, wobei diese Technologie auch heute immer noch sehr erfolgreich global eingesetzt wird. Bei den HED Antrieben liegt die technische Vorreiterrolle momentan jedoch eher im Ausland, während über die Aktivitäten deutscher Firmen vergleichsweise wenig bekannt ist. Ausnahmen hiervon sind beispielsweise die Konzeptstudien von Rheinmetall sowie der Firmen Magnet-Motor (RENK Gruppe) und Vincorion (JENOPTIK Gruppe). Auf der Eurosatory 2022 in Paris wird sicherlich der eine oder andere nationale und internationale Hersteller neue HED Produkte vorstellen und damit für Überraschungen sorgen.

Die kritische Frage bei all diesen Konzeptstudien ist, inwiefern die Technologie einsatz- bzw. serienreif ist. Dies erfordert meist langjährige Erfahrung im Umgang mit HED Systemen, wobei die britische Firma QinetiQ beispielsweise seit 10 bis 20 Jahren verstärkt an solchen Systemen arbeitet.

Während in den letzten Jahrzehnten militärische Spitzentechnologie oft kommerzielle Ableger auf dem Zivilmarkt fand, hat sich dieses Verhältnis bereits umgekehrt. Heutzutage verdrängen häufig commercial off-the-shelf (COTS) Technologien hochgezüchtete high-end Lösungen verschiedener militärischer Nischenmärkte, was klar verdeutlicht, wie viel disruptives Potenzial in HED Antriebelementen steckt. Beschaffungszyklen in diesem Bereich liegen leicht bei 10 bis 20 Jahren, stellenweise auch deutlich darüber. Sollten Antriebshersteller hier also einen Trend verschlafen und bei einer Ausschreibung diese innovativen Systeme nicht rechtzeitig liefern können, würden ihre Antriebskomponenten in der nächsten Produktgeneration folglich nicht mehr verbaut werden. Dies bedeutet, dass die jeweiligen Märkte möglicherweise auf Jahrzehnte verschlossen wären, und es bliebe unklar, inwiefern sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut erschlossen werden könnten.

Ein Beispiel für den Einsatz von COTS Antriebstechnik bei Militärfahrzeugen ist der Schützenpanzer Lynx von Rheinmetall. Dieser besitzt nicht mehr einen hochspezialisierten Militärmotor, sondern wird durch einen Liebherr Dieselmotor angetrieben, wie sie auch im Bausektor eingesetzt werden. Diese etablierten Motoren sind robust, langlebig, zuverlässig, haben sich jahrelang bewährt und können weltweit gewartet werden. Und darüber hinaus sind sie auch allein durch die hohen Stückzahlen deutlich kostengünstiger und zeitnah verfügbar. Da Liebherr nun ebenfalls erste Hybridmotoren im Produktportfolio hat, ist es voraussichtlich nur eine Frage der Zeit, bis über eine Hybridisierung des Lynx nachgedacht wird. Der Lynx ist ein möglicher Kandidat für die Nachfolge des Bradley IFVs in den Vereinigten Staaten und es ist davon auszugehen, dass dieses Nachfolgeprogramm zumindest eine gewisse Hybridisierung enthalten wird.

Insofern wird ersichtlich, wie grundsätzlich die Bedrohung disruptiver HED Konzepte für die strategische Position etablierter Antriebsfirmen ist. Es erfordert technischen Weitblick, um die strategische Ausrichtung dieser Firmen an den Technologiewandel anzupassen und die Technologieführerschaft auch in den neuen Bereichen zu erwerben sowie weltweit umzusetzen. ACTRANS ist eine Managementberatung mit Fokus auf Technologie und Innovation. Gemeinsam mit unserem Expertennetzwerk unterstützen wir unsere Klienten dabei, ihre Produktportfolios, ihre Prozesse sowie ihre Technologien auf Wachstum und Innovation auszurichten.